Metadaten

Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0018
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
18

Erwin Preuschen:

daß diese vier Schriften eben die einzigen zuverlässigen Dar-
stellungen der Reden, Täten und Leiden Jesu waren, deren Tatian
habhaft werden konnte, und deren Verschmelzung zu einem ein-
zigen Werk den Gebrauch der vier Bücher befördern sollte, ohne
daß doch durch die Offenlegung der Widersprüche dem Zweifel
Nahrung geboten wurde. Die Annahme, daß um 150 die Kirche
bereits die vier, später kanonisch gewordenen Evangelien in all-
gemeinem Gebrauch gehabt habe, widerspricht dem aus den Über-
resten der älteren Literatur noch zu erhebenden Tatbestand.35)
Für Irenäus (um 180) ist freilich das Vorhandensein der vier
Evangelien eine so unabänderliche Tatsache, daß er zu ihrer Be-
gründung die vier Weltgegenden und die vier Winde der Wind-
rose heranzieht.36) Wie sich darin von Gott geordnete und be-
stimmte Verhältnisse spiegeln, die der Mensch als gegeben ein-
fach hinzunehmen hat, so auch in der Vierzahl der Evangelien.
Nicht mehr und nicht weniger dürfen es sein. Diese Begründung
ist reichlich gesucht und künstlich. Sie beweist aber eben damit,
daß sich Irenäus hier einer festen Überlieferung gegenüber sah,
die er in irgendeiner Weise rechtfertigen mußte. Denn die weitere
Bemerkung, die Irenäus an seine Begründung der Naturnotwendig-
keit des vierfaltigen Evangeliums anfügt, daß der Logos, der Welt-
bildner, der über den Cherubim thront, den Menschen das vier-
gestaltige Evangelium gegeben habe, das doch von einem Geist
als eine Einheit zusammengefaßt werde37), zeigt die Nöte, in die
sich die Kirche durch diesen Tatbestand gestürzt sah) War wirk-
lich der eine Geist der Urheber, so müßte man, billig fragen,
warum es ihm gefallen habe, sich in vier, doch in vielen Einzel-
heiten recht erheblich voneinander abweichenden Schriften den
Menschen zu enthüllen, und nicht vielmehr in einer einzigen.
35) Zahn, Gesch. d. ntl. Kanons I, S. 150 ff. behauptet allerdings, daß die
vier Evangelien seit unvordenklichen Zeiten im kirchlichen Gebrauch gewesen
seien, und daß diese Tatsache auch um die Mitte des 2. Jahrh. nicht bestritten
worden sei. Das stellt die Tatsachen auf den Kopf. Vgl. dazu Harnack, D. Neue
Test, um das Jahr 200, 1889, S. 45 ff.
36) Iren. III 11, 8: επειδή τεσσαρα κλίματα τοΰ κόσμου, έν ψ έσμέν, είσΐ
καί τεσσαρα καθολικά πνεύματα · κατέσπαρται δέ ή έκκλησία έπί ποίσης τής γης,
στύλος δε καί στήριγμα Εκκλησίας τό εύαγγέλιον και πνεύμα £ωής ' εικότως
τέσσαρας έχειν αυτήν στύλους, πανταχόθεν πνέοντας τήν άφθαρσίαν καί
άνα£ωποροϋντας τούς άνθρώπους.
) Iren. III 11, 8: έ£ ϋυν φανερόν, δ τι ό των άπάντων τεχνίτης λόγος, ό
καθήμενος έπί των Χερουβίμ καί συνεχών τά πάντα, φανερωθείς τοΐς άνθρώποις,
έδωκεν ημίν τετράμορφον εύαγγέλιον ένί δέ πνεύματι συνεχόμενον.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften