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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0045
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I. Das Diatessat'on und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 45

oder ob es erst auf Grund von dieser veranstaltet wäre. Das
wäre textkritisch zwar auch nicht ganz belanglos, aber doch erst
eine Frage zweiten Ranges. Bei dieser Sachlage muß jedenfalls
die Begründung, die Zahn seiner Behauptung gegeben hat, genau
geprüft werden.
Es ist nun unzweifelhaft eine höchst mißliche Sache, über
die ursprüngliche Gestalt eines Werkes etwas auszumachen, von
dem nur verhältnismäßig dürftige Reste in einer Übersetzung
vorliegen, während größere Massen von Trümmern überhaupt
nur in einer Afterübersetzung erhalten sind. Die Lage wird da-
durch noch verwickelter, daß der Urheber des Werkes sowohl die
griechische wie die syrische Sprache mit gleicher Sicherheit hand-
habte, diese als seine Muttersprache, jene als die Sprache der
Bildung, die er sich in umfassendem Maße angeeignet hatte. Unter
diesen Umständen darf man auch nicht erwarten, daß Fehler oder
Ungeschicklichkeiten, die sonst bei Übersetzungen gewöhnlich zu
Verrätern werden, auch in diesem Fall den Weg weisen. Vielmehr
ist die Entscheidung der Frage mehr oder weniger von allgemeinen
Erwägungen abhängig, deren Gewicht im einzelnen Fall nicht groß
zu sein pflegt, und die erst dann, wenn sie in ihrer Zusammen-
fassung nach einer Richtung führen, die Entscheidung ermög-
lichen können.
Zahn begnügt sich damit, die, wie es scheint, durchaus un-
anfechtbare Bemerkung zu machen86), daß das Diatessaron im
kirchlichen Leben, abgesehen von der späten lateinischen und der
noch späteren arabischen Übersetzung, nur bei Christen syrischer
Zunge und als syrisches Buch begegne. Damit ist aber nicht be-
wiesen, daß das Buch von allem Anfang an nur als solches vor-
handen gewesen ist. Wenn es als kirchliches Buch sich nur in
Syrien durchzusetzen vermochte, können Gründe genug geltend
gemacht werden, warum es in dem Gebiet der Kirche griechischer
Zunge nicht dieselbe Stellung zu finden vermochte, wie denn
überhaupt die Frage der kirchlichen Benutzung in diesem Zu-
sammenhang vollkommen nebensächlich ist. Daher sind die Sätze,
mit denen Zahn seine Behauptung zu stützen sucht, nur geeignet,
die Frage zu verwirren, statt sie zu klären. Es ist angesichts der
kurzen Notiz bei Eusebius (s. o. S. 8), die kein Mensch auf ein
syrisch geschriebenes und nur bei syrisch redenden Christen ge-
86) Geschichte des ntl. Kanons I, S. 409. Vgl. auch die in derselben Richtung
verlaufende Erörterung, Forschungen I, S. 535 ff.
 
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