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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0047
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I. Das Diatessaron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 47

ziehen, aber bedürfnislos, wie Kyniker und Bettelmönche; ja noch
einfacher als diese, denn selbst der Ranzen wird ihnen verboten.
Dort haben wir das kirchliche Ideal, hier das der freien Verfassung,
die den Geist wehen läßt, wo er will. Aber beides nebeneinander
kann wohl in der Praxis bestehen, nicht aber nach den Anweisungen
heiliger Texte, wenn nicht die Gemüter verwirrt werden sollen.
Tatian hat hier wie an zahllosen Stellen den Widerspruch bemerkt
und zu beseitigen gesucht. Es wäre ja ein Leichtes gewesen, nur
einen Text zu nehmen und den andern fallen zu lassen. Auf so
bequeme Weise pflegte er aber nicht zu arbeiten. Er kannte auch
nicht die törichte Schlimmbesserung, die in der Vulgärlesart bei
Matthäus vorgenommen ist, indem man ράβδον in ράβδους änderte:
als ob ein Reisender sich wie ein Schirmflicker mit einem Bündel
von Wanderstäben auf den Weg machte! Vielmehr benutzte er
den Unterschied, den er in bezug auf den Gebrauch der Worte für
Schuhe vorfand (υποδήματα bei Matthäus und σανδάλια bei Markus),
um auch den Unterschied hinsichtlich des Wanderstabes auszu-
gleichen. Die Stelle ist bei Ephraem allerdings nicht wörtlich er-
halten, aber doch wenigstens soweit, als es nötig ist, um die
Sachlage zu übersehen. Es heißt90): „Und wenn er sagt: einen
Stock (γ [so meint er] zum Abzeichen der Gerechtigkeit
und zum Zeichen der Demut. Und daß sie keinen Stab (//'"-«/)
[ tragen sollen, ist gesagt], weil sie nicht ausgingen, als ob sie eine
wild gewordene Herde weiden sollten, wie Moses .... Und daß
sie keine Schuhe !'rr) [tragen dürfen, ist gesagt], weil sie [dann ]
von allen zurückgewiesen würden; sondern Sandalen (vw'"/^""/'"),
daß ihnen wenigstens damit der Lohn der Gebote zuteil werde.“
Schon Moesinger hat darauf aufmerksam gemacht91), daß in der
armenischen Libersetzung des Neuen Testaments m 6, 8
und M 10, 10 nnu,li zur Wiedergabe von ράβδος verwandt seien.
Denselben Unterschied finden wir auch in der Syra vetus, wo M 10,
10 k'O^cvjj und m 6, 8 Ά ni. gebraucht ist. xAn der Abhängigkeit
vom Diatessaron in der Bewahrung dieses Unterschieds wird man
nicht zweifeln dürfen. Jenes findet sich 1. Kor. 4, 21. Apc. 2, 27.
11, 1. 12, 5. 19, 15 als Übersetzung von ράβδος, während der
Plural M] 25, 47. 55. m 14, 43. 48 für Ηύλα in der Bedeutung
„Knüppel“ steht. πτΛ^πχ- findet sich in der Pesitta M 10, 10.
90) Ephraemi Oper. Armen. II, p. 84, 12.
91) Epliraem, Evangelii concordantis expositio, Yenet. 1876, p. 91 2.
 
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