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Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0051
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I. Das Diatessaron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 51
zeichnen, in dem Tatian das selbst von sich sagt. Fragwürdig
ist die andere, daran angeschlossene Behauptung, daß Tatian ur-
sprünglich eine eigne Schule in Mesopotamien geleitet habe, und
zwar um das 12. Jahr des Antoninus Pius, da er nach dem Tode
Justins Rom verlassen und sich nach dem Osten begeben habe,
wo er sich einer „schlechten Denkweise“ angeschlossen, d. h. sich
gnostischen, genauer valentinisehen Anschauungen zngewandt
habe. Sein Einfluß habe sich von Antiochien nach Cilicien und
weiterhin nach Pisidien erstreckt. Das sind ziemlich verwirrte
Nachrichten, von denen jedenfalls die in ihrem Ursprung dunkele
über die Zeit der Wirksamkeit Tatians im Osten mit den sonstigen
Zeitangaben schlechterdings nicht in Einklang zu setzen ist. Denn
im Jahre 150 kann Justin noch nicht gestorben gewesen sein,
wrnnn auch die Angaben in seinem Martyrium nicht ausreichen,
um das Jahr seines Todes mit Sicherheit zu bestimmen. Nimmt
man einen hei der Ähnlichkeit der Namen für einen Gelehrten
wie Epiphanius verzeihlichen Irrtum und eine Verwechslung des
Antoninus Pius mit seinem Adoptivsohn Antoninus Aurelius an100),
so ist wieder nicht viel gewonnen, da das Jahr 173 oder 174, das
man dann erhält, reichlich spät sein würde, wenn die Wirksamkeit
Tatians durch diese Notiz wirklich in einen engen Zusammenhang
mit Justins, im Anfang des G. Jahrzehnts erfolgten Tod gesetzt
werden sollte. Daß Tatians Anhänger von Syrien über Cilicien
bis nach Pisidien verbreitet gewesen seien, wird man, wenn man
die Angabe auf die enkratitischen Anschauungen bezieht, nicht als
unglaubhaft anseben können. Worauf Epiphanius die Bemerkung
gründet, ist nicht zu sagen. Von seinem Wohnsitz auf Cypern
aus konnte er hierüber am ehesten unterrichtet sein. Die kurze
Erwähnung des Diatessarons, die den Beschluß dieser kleinen,
der Person Tatian gewidmeten Einleitung bildet, verdient etwas

10°) Harnack, Chronol. d. altchr. Lit. I, J S9(», S. 388 meint, daß Epiphanius
die beiden Kaiser verwechselt habe, und daß die auch von Eusebius in der Chronik
gegebene Gleichung Tatians Blütezeit = 12. Jahr des Marcus Aurelius aus der
Chronographie des Africanus stamme. Das letztere ist durch nichts zu beweisen,
und die Bemerkung ist vielleicht von Epiphanius doch mit richtiger Kaiserangabe
versehen, aber auf die Wirksamkeit in Rom und nicht in Mesopotamien zu be-
ziehen. Dann erhält man ein nach allen Seiten uutadelhaftes Datum, da Tatian
um 150 sehr wohl eine selbständige Wirksamkeit neben Justin entfaltet haben
kann. Doch wird man bei dem Zustand, in dem sich die altchristliche Chrono-
logie befindet, derartige Schlüsse nicht anders als mit allen Vorbehalten zu ziehen
geneigt sein.

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