I. Das Diatessaron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 55
lehrfcem Aufputz Bannte, Luscinius seine Evangelicae historiae ex
quatuor evangelistis perpetuo tenore continuata narratio103) über-
setzt hat, schwebt ein bis heute noch nicht gelichtetes Dunkel.
Den Irrtum des Übersetzers, der das Stück auf Ammonius von
Alexandria zurückführte, haben die späteren Herausgeber, die es
abdruckten, stillschweigend verbessert, indem sie es unter Tatians
Namen stellten. Darüber, daß ein Auszug aus dem Diatessaron
vorliegt in Form einer kurzen Inhaltsangabe der einzelnen Peri-
kopen in der Reihenfolge, wie sie in diesem aneinandergereiht
waren, kann heute, nachdem wir über diese Reihenfolge durch
zwei unabhängige Zeugen unterrichtet sind, nicht mehr der
leiseste Zweifel bestehen. Schon dadurch ist der Vorwurf eines
Schwindels vollkommen ausgeschlossen, von deim Zahn den Nach-
tigall. ausdrücklich reinigen zu müssen gemeint hat. Nur das
ist gewiß·, daß der Übersetzer mehr auf Eleganz des Ausdrucks
als auf Wörtlichkeit gesehen hat, und daß es deshalb nicht mehr
möglich ist, über die der Übersetzung zugrunde liegende Vor-
lage Genaueres auszumachen oder gar über ihren Wortlaut be-
stimmte Vermutungen aufzustellen. Auch darüber läßt sich
schlechterdings nicht urteilen, ob die Dürftigkeit in der Erzählung
des Textes, die im Verlauf der Arbeit einer größeren Ausführlich-
keit Platz macht, nur dem Bearbeiter zur Last fällt, oder, wie
Zahn vermuten möchte104), in der Beschaffenheit der Vorlage be-
gründet war. Das eine ist jedenfalls vollkommen sicher, daß die
Grundlage dieser narratio das Diatessaron bildete. Wäre dieses
wirklich syrisch abgefaßt gewesen, so müßte auch für diesen Aus-
zug gelten, was für die lateinische Bearbeitung anzunehmen wäre,
daß er aus dem Syrischen gefertigt ist. Zahn scheut auch' vor
dieser Unwahrscheinlichkeit nicht zurück.105) Die ganze Frage
löst sich von selbst, wenn das Diatessaron auch in seiner grie-
chischen Urform verbreiteter gewesen ist, als uns die kirchliche
Literatur verrät, daß es daher auch eine lateinische Bearbeitung
erfuhr, und daß aus ihm eine zusammenhängende Geschichte
Jesu hergestellt wurde.
So schließen sich die paar dürftigen Notizen, die wir über das
Werk besitzen, mit den auf Grund seiner Geschichte anzu-
103) Das Buch erschien mit anderen Übersetzungen zusammen Augsburg 1523.
Ich kenne es nur aus Zahn, Forschungen I, S, 313s.
104) Zahn, Forschungen I, S. 316.
in5) Forschungen I, S. 328.
lehrfcem Aufputz Bannte, Luscinius seine Evangelicae historiae ex
quatuor evangelistis perpetuo tenore continuata narratio103) über-
setzt hat, schwebt ein bis heute noch nicht gelichtetes Dunkel.
Den Irrtum des Übersetzers, der das Stück auf Ammonius von
Alexandria zurückführte, haben die späteren Herausgeber, die es
abdruckten, stillschweigend verbessert, indem sie es unter Tatians
Namen stellten. Darüber, daß ein Auszug aus dem Diatessaron
vorliegt in Form einer kurzen Inhaltsangabe der einzelnen Peri-
kopen in der Reihenfolge, wie sie in diesem aneinandergereiht
waren, kann heute, nachdem wir über diese Reihenfolge durch
zwei unabhängige Zeugen unterrichtet sind, nicht mehr der
leiseste Zweifel bestehen. Schon dadurch ist der Vorwurf eines
Schwindels vollkommen ausgeschlossen, von deim Zahn den Nach-
tigall. ausdrücklich reinigen zu müssen gemeint hat. Nur das
ist gewiß·, daß der Übersetzer mehr auf Eleganz des Ausdrucks
als auf Wörtlichkeit gesehen hat, und daß es deshalb nicht mehr
möglich ist, über die der Übersetzung zugrunde liegende Vor-
lage Genaueres auszumachen oder gar über ihren Wortlaut be-
stimmte Vermutungen aufzustellen. Auch darüber läßt sich
schlechterdings nicht urteilen, ob die Dürftigkeit in der Erzählung
des Textes, die im Verlauf der Arbeit einer größeren Ausführlich-
keit Platz macht, nur dem Bearbeiter zur Last fällt, oder, wie
Zahn vermuten möchte104), in der Beschaffenheit der Vorlage be-
gründet war. Das eine ist jedenfalls vollkommen sicher, daß die
Grundlage dieser narratio das Diatessaron bildete. Wäre dieses
wirklich syrisch abgefaßt gewesen, so müßte auch für diesen Aus-
zug gelten, was für die lateinische Bearbeitung anzunehmen wäre,
daß er aus dem Syrischen gefertigt ist. Zahn scheut auch' vor
dieser Unwahrscheinlichkeit nicht zurück.105) Die ganze Frage
löst sich von selbst, wenn das Diatessaron auch in seiner grie-
chischen Urform verbreiteter gewesen ist, als uns die kirchliche
Literatur verrät, daß es daher auch eine lateinische Bearbeitung
erfuhr, und daß aus ihm eine zusammenhängende Geschichte
Jesu hergestellt wurde.
So schließen sich die paar dürftigen Notizen, die wir über das
Werk besitzen, mit den auf Grund seiner Geschichte anzu-
103) Das Buch erschien mit anderen Übersetzungen zusammen Augsburg 1523.
Ich kenne es nur aus Zahn, Forschungen I, S, 313s.
104) Zahn, Forschungen I, S. 316.
in5) Forschungen I, S. 328.