Metadaten

Preuschen, Erwin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 15. Abhandlung): Untersuchungen zum Diatessaron Tatians — Heidelberg, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37677#0057
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I. Das Diatessnron und seine Bedeutung für die Textkritik der Evangelien. 57
sondern auch den Griechen ein Grieche sein wollte. Die aus-
gedehnten Reisen, die ihn in alle Provinzen des Reiches führten,
dienten nicht nur zu seiner Unterhaltung oder der Befriedigung
seiner Eitelkeit, sondern auch der Information über die Bedürf-
nisse und hatten ohne Zweifel für die Hebung des ganzen öffent-
lichen Lebens in den Provinzen die erfreulichsten Folgen. Zu
diesen gehörte auch, daß auf die griechische Geisteskultur in
dieser Zeit ein neuer Glanz fiel. Denn sie mit dem nüchternen
Römertum zu vermählen, war nicht nur das Streben, das Hadrian
für seine eigne Person zu vollkommener Erfüllung zu bringen
suchte, sondern zugleich das letzte und höchste Ziel, dem sein
Sinnen, Denken und Arbeiten galt. Mit der Eitelkeit, die solchen
an wirklichen und vermeintlichen Talenten reichen Menschen
eigen zu sein pflegt, und die bei Hadrian noch gesteigert wurde
durch die Leichtigkeit, mit der er jede Laune zu verwirklichen
vermochte, liebte der Kaiser, sich nicht nur als ausübenden
Künstler, sondern auch als Beschützer und Förderer der Wissen-
schaft darzustellen. Und so bereitete er in Rom den Boden für
jene kurze Blütezeit eines wissenschaftlichen Lebens, an dem
auch die christlichen Schulen ihren Anteil hatten und von der
sie Vorteile ziehen konnten.
Die Erbfolge hatte Hadrian vor seinem Tod sicher gestellt.
Nachdem ■Gommodus, den er zunächst zu seinem Nachfolger be-
stimmt hatte, vorzeitig der Schwindsucht erlegen war, der sein
durch Anstrengungen und Ausschweifungen geschwächter Körper
keinen Widerstand entgegensetzen konnte, wählte er Aurelius
Antoninus, dem die bewundernde Mitwelt den Beinamen Pius
gab107): in allen Stücken das Gegenteil und Widerspiel seines Vor-
gängers. Bedächtig, gewissenhaft, jedem Prunk abgeneigt, arbeit-
sam und mäßig bis zur vollkommensten Nüchternheit, nicht ohne
Kleinlichkeit — böse Zungen108) nannten ihn „Kümmelspalter“ —,
am liebsten das Staatsgewand mit dem schlichten Kleid des wohl-
habenden Landmannes vertauschend und auf seinem Landgut
107) Es ist ein seltsames Schicksal, daß über die Regierung des Antoninus
die Quellen so dürftig sind, wie über kaum einen andern Kaiser. Die Schilderung,
die Marc Aurel (εις έαυτόν I 16) gegeben hat, läßt uns wenigstens eine Vor-
stellung von seiner Person gewinnen. Aber das Bild wäre wertvoller, wenn es
ein hervorragenderer Geist gezeichnet hätte, als es Marc Aurel war.
i°8) Wenigstens wird er so in dem armseligen Exzerpt aus Cassius Dio (LXX 3)
genannt, das Xiphilinus über die Regierung des Antoninus verfertigt hat. Der
Verlust des Dio ist gerade hier ganz besonders zu beklagen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften