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Neckel, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1918, 7. Abhandlung): Studien zu den germanischen Dichtungen vom Weltuntergang — Heidelberg, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.37669#0039
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Studien zu den germ. Dichtungen vom Weltuntergang.

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so gut wie bei Snorri dasselbe ist wie die bis zum Himmel auf-
schlagende Flamme der Völuspä (s. u.), und doch daran festhalten,
daß dies mehr 'Sage’ als 'Glaube’ war (von scharfer Scheidung
der beiden Begriffe kann ja nicht die Rede sein). Daran aber,
daß der Weltbrand vermeintlich nur der Völuspä bekannt war,
knüpfte Olrik die Annahme, dies Motiv sei christlicher Herkunft.
So wurde es möglich, auch die begeisterte Schilderung des Völuspä-
dichters auf einer Glaubensgrundlage ruhen zu lassen. Hiergegen
mußte aber schon die Beschaffenheit der Völuspä selbst bedenklich
machen, die jedenfalls nicht von einem gläubigen Christen her-
rührt. Freilich wäre dies weniger handgreiflich, wenn die vier
Verse vom Mächtigen, der zum großen Gericht von oben kommt,
die die Hanksbök höchst unpassend vor der Schlußstrophe ein-
schiebt, echt wären. Aber das ist nicht nur nicht sicher, sondern
höchst unwahrscheinlich, schon im Hinblick auf das Alter und
das durchgehende Wertverhältnis der Handschriften. Ein Christ,
der die Eschatologie der Kirche derart umgedichtet hätte, daß
der Schlußteil der Völuspä das Ergebnis war, hätte schwerlich
irgendwo im Mittelalter seinesgleichen gehabt. Das Entscheidende
aber ist, daß er außer der Kirchenlehre inhaltreiche Quellen
anderer Art benutzt haben müßte. Auch der WYltbrand sieht
bei ihm anders aus als in den Schilderungen des Jüngsten Tages,
zumal in denen bei germanischen Dichtern (Eliasgedicht, Crist III):
die eigentliche Aufgabe des Gerichtsfeuers ist es, die Menschen
heimzusuchen, daher wird im einzelnen ausgemalt, wie es, vom
Himmel herabkommend, die Erdoberfläche verheert; das Feuer
der Völuspä dagegen wütet im Luftraum aufwärts und schlägt bis
an den Himmel, es ist das einheitliche Schlußbild des Weltunter-
gangs (Str. 57). Das gleiche Bild schwebt in den Vafprüönismäl 50
vor. Die Fassung der Frage, wer über die Lande oder Besitz-
tümer (eignir) der Götter herrschen werde, wenn Surts Lohe
erlischt, setzt voraus, daß beim Erlöschen des Feuers die
Göttersitze schon wieder da sind. Dies wäre unverständlich,
wenn an ein Verbrennen der Asengehöfte von Feindeshand ge-
dacht wäre. In diesem Falle müßte vielmehr ein Wiederaufbau
des Zerstörten vorschweben. Offenbar hat der Dichter etwas
ganz anderes im Auge. Die eignir der Götter liegen im Himmel1,
und wenn der Skalde Thiodolf von Hvin für 'der Himmel brennt’

1 ilaustlpng 15. 16. Ysp. 41. 63.
 
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