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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0035
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Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 35

unklarer Weise nahegebracht wurde, fällt in Isidors v. Sevilla
Encyklopädie am Ausgang der Antike unter das ius naturale oder
aequum, das commune est omnium nationum et utique instinclu
naturae, non constitutione aliqua habeatur, neben Ehe und Erziehung
auch die communis omnium possessio und neben der omnium una
libertas die acquisitio eorum, quae coelo, terra marique capiuntur,
ja die Rückgabe eines Depositums und das Recht der Notwehr1.
War die omnium possessio der Resitz „aller“ oder „an allem“ ?
Solch unklares Gemisch ging dann maßgebend ins Mittelalter.
Daneben gab es aber einen zweiten Gedankenkreis christlicher
Herkunft, der jenem heidnisch-philosophischen weithin entgegen-
kam, wenn er nicht gar schon in der Wurzel verwandt war. Man
hatte auch auf dieser Seite ein Idealbild eines wahren Gemein-
schaftslebens, in Act. 4 (und 2), und man hatte den Vorzug, hier
in untrüglichen Schriften nicht bloß Forderungen einer ewigen
Vernunft, sondern ein Zeugnis wirklicher historischer Vorgänge zu
besitzen, und wenn Plato auf Altsparta und den weisen Lykurg
wies, so konnte man es hier auf Altisrael und das zweite Gesetz
des „heiligen Moses“, der auch eine soziale Gerechtigkeit zur Grund-
lage gemacht und von einer Zeit gesprochen hatte, da neque quis-
quam egens erat inter illos (Deut. 15, 4u. Act. 4,34a). Die Verwandt-
schaft reicht vermutlich noch viel weiter. Plato konnte sich auch
noch auf die pythagoreische Freundeskommunität beziehen. Es
ist mir wahrscheinlich, daß schon bei der Zeichnung der urge-
meindlichen Jüngerkommunität das gleiche Vorbild von Einfluß
für den literarisch gebildeten, Quellen ineinanderarbeitenden Auc-
tor ad Theophilum gewesen ist. Daß die Zustände „in der pytha-
goreischen Urgemeinde zu Kroton“ in der vita des Pythagoras von
Jamblichus (168) mit fast denselben Worten beschrieben werden, wie
die in der Urgemeinde zu Jerusalem, ist längst bemerkt2, aber die
1 Etym. IV, 4. Allerdings, wie Bergboiim bemerkt, im Anschluß an
die Juristen, Instit. I, 2 und c. 1. Dig. I. 1, aber hier heißt es gerade: ius
naturale est, quod natura omnia animalia docuit, es fällt darunter die libe-
rorum procreatio et educatio, und es folgt dann als Definition des ius gentium,
was hier als die des ius naturale erscheint. Vgl. auch O. Schilling, Natur-
recht u. Staat nach der Lehre der alten Kirche (Rechts- u. staatswiss.
Sektion d. Görres-Ges. H. 24), 1914, S. 220 ff., vgl. 25 ff., den nur sein
Standpunkt selbst an einem Auseinanderhalten der rechtlichen, sozial-
philosophischen und religiösen Kategorien hindert.
2 Vgl. Preusciien in s. Ausg. der Ap.-Gesell, in Lietzmanns Handbuch
z. Neuen Test., 1913, S. 28, dagegen steht in H. Holtzmanns Aufsatz über „Die
Gütergem. in d. Apostelgesch.“ Straßb. Abh. Zeller gew., 1884, noch nichts.

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