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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0040
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Der Kommunismus der Wiedertäufer in Münster und seine Quellen. 39

Welchen Ursprungs auch immer, die Vorlage war, der Christen-
heit einmal gegeben, dauernd der allgemeinen Neigung ausgesetzt,
sie mit vorchristlichen Motiven zu durchsetzen und ihr Verständnis
damit zu verfälschen. Indem man sie mit den gerade bei dem Ver-
fasser des 3. Evangeliums so stark betonten Elementen in der
Predigt Jesu zusammenhielt, die von den Gefahren des Besitzes,
von der unbedingten Notwendigkeit, als Jesu „Nachfolger“ dem
Reichtum zu entsagen, von der Verpflichtung zu weitestgehender
Barmherzigkeit au f Grund persönlichen Opfers handelten, schob man
auch sie in den Strom der Auffassung, die aus diesen Mahnungen
selbst- und rücksichtsloser Liebesgesinnung Forderungen einer
asketischen Sittlichkeit gemacht hatte. Indem weiter die damit
gesetzte Spaltung der Sittlichkeit in eine höhere für die, die aus
der Nachfolge den vollen Ernst im Sinn dieser asketischen For-
derungen oder „evangelischen Ratschläge“ machen wollten, und
in eine niedere für den Durchschnitt zur Bildung eines eigenen
Asketenstandes führte, fand naturgemäß das Idealbild der aposto-
lischen Urgemeinde eine Realisierung in den Gemeinschaften dieser
Berufsasketen, im Mönchtum, und indem andererseits der Klerus
wieder an Hand des nur anders gewendeten Gedankens von der
Nachfolge der Apostel zum Stand der das „Volk“ Beherrschenden
geworden war und, je länger je mehr aus jenem Stande der Ernsten
hervorgehend, genötigt jedenfalls hinter ihm nicht zurückzubleiben,
anfing vermöncht zu werden, war es naturgemäß, daß auch auf
diese „Wächter“ des christlichen Gottesstaates der kommuni-
stische Gedanke Anwendung fand, der uns bereits bei den Philo-
sophen und Kriegern Platos begegnete: er gehört notwendig zur
militia Christi. Man wird bei der Beurteilung kommunistisch klin-
gender Stellen wie der oben zitierten, von Pöi-ilmann (II, 614)
besonders überschätzten des Chrysostomus außer der südlichen
Predigtrhetorik und der bestimmten Predigttendenz auch in Rech-
nung zu stellen haben, daß fast nur durch das Mönchtum gegangene
Bischöfe zu uns reden1.
Auch wo beide Gedankengruppen, wie von Cyprian bis
Pseudo-Isidor und darüber hinaus am liebsten geschieht, zusammen-
gefügt werden, um der Beweisführung größere Wucht zu ver-
leihen2, nie wird man übersehen dürfen, daß dieser katholische
1 WieTRÖLTSCH, Soziallehren 1,116, mit Recht tut; dazu Schilling S.123ff.
2 Wodurch dann auch der Sinn von Act. 4, unter das Licht der allge-
meinen Sätze gerückt, ganz zweifelsfrei gemacht wurde.
 
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