Metadaten

Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0041
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
40

H. von Schubert:

„Kommunismus“ noch weniger als der platonische darauf aus-
ging, eine neue Gesellschaftsordnung einzuführen. Man kann viel-
mehr sagen: das Mönchtum ist geradezu „die Erklärung, daß in
der Welt diese Daseinsform nicht durchführbar sei“1, nur denkbar
in der Form kleinerer Kreise gleichgestimmter „Freunde“ wie bei
- Pythagoras. Es ist Vergangenheit, auf die man zurückschaut:
die „prähistorische“ Zeit des sündlosen Urstands, der nur eine
theoretische, spekulative Größe darstellt, dazu die primitiven
Anfangsverhältnisse der Kirche, da für einen Augenblick die
Erscheinung des Sündlosen neues, reines Licht auf die Erde warf
und eine kurze unvergleichliche Zeit heroischer Heiligkeit hervor-
rief, zu der man anbetend aufschaute, sie gleichsam auch heraus-
hebend aus aller Geschichte. Was man verkündigte und verlangte,
war nur weitgehender Ausgleich sozialer Unterschiede, Abgabe des
Überflusses an die Bedürftigen, tunlichste Beschränkung auf das
Notwendige2 3 mit den Motiven der Liebe und Askese, d. h. der
Mildtätigkeit aus Erbarmen mit den anderen und des guten Werkes
aus Sorge um das eigene Heil. Und kluge, klassisch gebildete Väter
wie Clemens Alexandriners und Lactanz lassen auch feinere Maß-
stäbe und Betrachtungsweisen nicht vermissen, Lactanz, wenn er
in scharfer Ablehnung des platonischen Standpunkts selbst bis
zu dem Schluß kommt: Rerum proprietas et vitiorum et virtutum
materiam continet, communitas autem nihil aliud quam vitiorum
licentiam; redegit ergo {Plato) hominum vitam ad similitudinem non
dicam mutorum, sed pecudum et beluarunP.
7.
Eines war bei dieser ganzen Entwicklung doch ungemein
bedenklich: die Betrachtung war nun noch ganz anders an die
höchste Autorität Gottes gebunden; es war nicht mehr strittige
Philosophenmeinung, sondern erschien als Ausfluß göttlicher Offen-
barung und absoluten Willens, was die Kirche auch immer über

1 H. v. Schubert, Christ, u. Kommunismus. Vortrag. 1919. S. 15.
2 Vgl. dazu die Beweisstellen bei E. Baumgartner, Zeitschr. f. kath.
Theol., 1909 (der Kommunismus im Urchr.), und Seipel, Theol. Studien
der Leo-Ges., 18. Jahrg., 1907 (Die wirtschaftseth. Lehren der Kirchenväter),
auch Schilling u. Mausbach a. a. O., i. allg. Tröltscii, Soziall. S. 113ff.
3 De inst. div. IV, 21, Über Clemens Al. s. F. X. Funk in s. Kirchen-
geschichtl. Abh. u. Unters. II, 45ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften