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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0043
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42

H. von Schubert:

Die Aufnahme des ganzen Briefes, soweit er davon handelt,
in das Decretum Gratiani, also die große systematische Rechts-
sammlung des 12. Jahrhunderts, die trotz ihres Charakters als
einer Privatarbeit doch sich höchstes Ansehen erwarb und Gegen-
stand des juristisch-scholastischen Schulbetriebs wurde, war der
vollendende Schritt. Allerdings fand das Schriftstück seine Stelle
im 2. Teile in der 13. causa, die von dem Vermögensrecht des Klerus
handelt und in der ersten quaestio den Satz aufstellt, daß dem
Kleriker multis auctoritatibus verboten werde, Eigentum zu besitzen,
also in dem Zusammenhang der Vorschriften über das mönchische
Leben des Klerus: Gratian verstand also den Brief ebenso, wie
wir ihn oben unter Heranziehung des pseudo-isidorischen Briefes
des Papstes Urbanus, der hier gleichfalls aufgenommen ist1, ver-
standen, d. h. nach dem zweiten Teile des einleitenden Satzes:
et maxime lüs qui deo inreprehensibiliter militare cupiunt et vitam
apostolorum eorumque discipulorum immitari voliint, und nicht
nach dem ersten communis vita omnibus est necessaria. Er ver-
wendete ihn also nicht als Beweismaterial für das natürliche und
göttliche Recht der Gütergemeinschaft, aber er war doch aufge-
nommen. Und innerhalb des früheren Zusammenhanges, der vom
Wesen des Rechts handelt und die ausdrückliche Identifizierung
des göttlichen und natürlichen und seine Bestimmung als eines
höheren wirklichen Rechtes bringt2, in den ersten Distinctionen des
ersten Teils, standen auch jene anderen wurzelverwandten, unkla-
ren, mißverständlichen Vaterstellen, in Dist. I jene philoso-
phisch-juristische Mischdefinition des ius naturale aus Isidors Ety-
mologien (c. 7), die hier Satz für Satz ausgezogen werden, so daß
der Auszug eines Auszugs aus dem alten Recht wieder zur

1 In derselben quaestio c. 9, vgl. auch c. 8, wo der Brief Gregors d. Gr.
an die Missionare der Angelsachsen, in dem ebenfalls Act. 4 angezogen wird,
Verwendung findet.
2 Dist. I: ius naturale est, quocl in lege et evangelio continetur — (c. 1)
omne quod fas est, nomine divinae vel naturalis legis accipiatur; Dist. V: nal.
ius inter omnia [iura) primatum obtinet et tempore et dignitate und IX, c. 11:
constitutiones ergo vel ecclesiasticae vel saeculares, si naturali iuri. contrariae
probantur, penitus sunt excludendae. Vgl. Bergbohm, Jur. u. Rechtsphil.
S. 157, A. 1. Damit wird dann im Mittelalter einerseits das commune ius
gentium (nationum), wie schon bei Isidor gleichgestellt, andererseits wird es
als ein sekundäres, abgeleitetes, aber an der Unantastbarkeit teilhabendes
Naturecht aufgefaßt, vgl. Gierke, Althusius3 S. 173 und die Zitate aus Thomas
Aquin. in den Noten.
 
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