Metadaten

Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 11. Abhandlung): Der Kommunismus der Wiedertaeufer in Muenster und seine Quellen — Heidelberg, 1919

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37688#0053
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
52

H. von Schubert:

Lebens in voller Gemeinschaft der Liebe. In diesen geistigen
Zusammenhängen und starken praktischen Antrieben lebte Roth-
mann, als er zum erstenmal über die Gütergemeinschaft schrieb
und redete.
Die volle Entscheidung, den ganzen Ernst des Lebens daraus
zu machen und die Ideale in die Wirklichkeit zu übersetzen, koste
es was es wolle, wurde doch erst durch die merkwürdigen Männer
gebracht, die aus den niederländischen Brüderkreisen stammten
und die apokalyptische Propaganda der Tat verkündeten:
an ihrer Spitze der schwarze Jan Matthys, der Bäcker aus Haarlem,
und der jugendliche Schankwirt und frühere Schneider und Kauf-
mann Jan van Leyden, ein unehelicher Schulzensohn. Das Auf-
treten zweier Zeugen galt schon für Joachim von Fiore als das
sichere Zeichen des Anbruchs, wurde von Hofmann noch stärker
betont* 1, wurde nun zum Sturmzeichen der letzten Weltenwende.
Melchior Hofmann war der Elias gewesen. Jan Matthys stellte
sich jetzt als der Henoch dar, der mit der Ausrichtung des Gottes-
willens betraut war. Es ist Entscheidungszeit, die Tenne muß
gefegt werden, es gilt den Kampf mit den Gottlosen. Und in
diesem Zusammenhänge gewinnt nun das Wort des Gampanus
von der „Restitution“ seine Bedeutung. Gegen diese letzte Wieder-
herstellung angesichts der Ewigkeit nach dem Muster der Apostel
versinkt die „Reformation“ Wittenbergs und Zürichs. Rothmann
schreibt sein Buch von der „Restitution“, darin das 12. Kapitel „von
leeffliker gemeinschap der Hvlligen“ handelt: „Wir hoffen auch,
daß die Gemeinschaft bei uns so kräftig und herrlich sei“, nämlich
wie Act. 2 u. 4 geschrieben steht, „denn wir nicht allein unsere
Güter insgemein durch die Hand der Diakonen gemein gemacht
haben und davon notdürftig leben, sondern auch eines Herzens
und Sinnes preisen wir Gott durch Christum und sind geneigt
mit allerhand Dienst einander zuvorzukommen. Und demnach
all das, was der Eigensucht und dem Eigentum gedient hat, als
Kaufen und Verkaufen, Arbeiten um Geld, Renten und Wucher
gebrauchen, ja auch mit den Ungläubigen, dazu der Armen Schweiß
Behauptung ihrer Notwendigkeit der gesamten Christenheit die Christlichkeit
absprach, das letzte Band mit Vergangenheit und Gegenwart zerschnitt und
die tief innerliche Sonderung der Brüder von allen anderen vollendete. Die
Wiedertaufe ist eben von der bloßen Erwachsenentaufe streng zu scheiden.
Aber tatsächlich gab es doch auch hier sehr verschiedene Stufen des Ernstes,
den man mit der Theorie machte.
1 Zur Linden S. 93f.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften