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H. von Schubert:
Seiten flogen die Fähnlein der Gläubigen herbei, und nach allen
Seiten flogen die Apostel aus, neue zu werben. Als die königliche
Diktatur Johanns von Leyden errichtet war, hieß es von ihm in
einem Flugblatt: „Gott hat ihm das Schwert befohlen, das soll
schneiden durch die ganze Welt, die Ungerechten zu strafen
und die Frommen zu beschirmen“1. Die Lösung des alten Welt-
problems war im Grunde einfach genug gedacht: man vernichte
die „Widerwärtigen“, so daß nur „Freunde“ übrigbleiben, unter
denen dann nach dem uralten Wort von selbst „alles allen gemein“
sein wird!
Es ist nicht die Absicht, die weiteren Stufen und Formen
der Entwicklung zu verfolgen. Immer mehr treten die beiden Dinge
in Wechselwirkung und steigern sich gegenseitig: das kriegerische
Vorgehen des Bischofs und seiner Helfer gegen die Aufrührer und
das kriegerische Gebahren der Männer vom Volke Gottes. Immer
mehr verschlingen sich auch die sittlichen und unsittlichen, die
nüchternen und visionären Züge: die höchsten Formen des Gott-
entzückens und pathologischer Bußerschütterung verbinden sich
mit Akten äußerster Rohheit und Grausamkeit. Das Gefühls-
leben dieser meist ungebildeten Menschen verlor jede Zügelung
durch einen normierenden Verstand. Man vermag bald nicht
mehr zu sagen, wo leidenschaftlicher alttestamentlicher Kämpfer-
geist und wo derbste Fleischesinstinkte den Ausschlag gaben. Man
vermag auch kaum mehr bei der Frage der Gütergemeinschaft die
Motive auseinanderhalten, die religiösen und wirtschaftlichen und
wiederum die natürlichen durch die Kriegswirtschaft hervorgetriebe-
nen Maßnahmen und dieÄußerungen einfacher Begehrlichkeit; man
sieht auch nicht klar, wie weit die Ausführung kam und wie weit
man demRadikalismus auch auf diesemGebiet verfiel. Sicher ist doch,
daß die von der Kriegswirtschaft unabhängig entstandene Tendenz
auf einen tunlichst weitgehenden Kommunismus ging und daß
man zu den Ansätzen auch eines Produktionskommunismus kam2,
daß auch bei den wirtschaftlichen Maßnahmen die niederen Triebe
1 Bei Bouterwek a. a. O. S. 333.
2 Vgl. dazu Kerssenbroch S. 507ff., 583ff., Gresbeck S. 32f., 35, 175f.
(über die Landverteilung), die auf Herrn. Ramers zurückgehende (vgl. Detmer
in Ztschr. f. vaterl. Gesch., 1893) Ordnung der Wiedertäuffer zu Münster
in Ztschr. f. vaterl. Gesch., 1856, S. 244ff. (über die Häuser: die haben sie
geport, wellicher in einem bösen Haus war, der bütt die Diacon, die weisen
in ein besseres).
H. von Schubert:
Seiten flogen die Fähnlein der Gläubigen herbei, und nach allen
Seiten flogen die Apostel aus, neue zu werben. Als die königliche
Diktatur Johanns von Leyden errichtet war, hieß es von ihm in
einem Flugblatt: „Gott hat ihm das Schwert befohlen, das soll
schneiden durch die ganze Welt, die Ungerechten zu strafen
und die Frommen zu beschirmen“1. Die Lösung des alten Welt-
problems war im Grunde einfach genug gedacht: man vernichte
die „Widerwärtigen“, so daß nur „Freunde“ übrigbleiben, unter
denen dann nach dem uralten Wort von selbst „alles allen gemein“
sein wird!
Es ist nicht die Absicht, die weiteren Stufen und Formen
der Entwicklung zu verfolgen. Immer mehr treten die beiden Dinge
in Wechselwirkung und steigern sich gegenseitig: das kriegerische
Vorgehen des Bischofs und seiner Helfer gegen die Aufrührer und
das kriegerische Gebahren der Männer vom Volke Gottes. Immer
mehr verschlingen sich auch die sittlichen und unsittlichen, die
nüchternen und visionären Züge: die höchsten Formen des Gott-
entzückens und pathologischer Bußerschütterung verbinden sich
mit Akten äußerster Rohheit und Grausamkeit. Das Gefühls-
leben dieser meist ungebildeten Menschen verlor jede Zügelung
durch einen normierenden Verstand. Man vermag bald nicht
mehr zu sagen, wo leidenschaftlicher alttestamentlicher Kämpfer-
geist und wo derbste Fleischesinstinkte den Ausschlag gaben. Man
vermag auch kaum mehr bei der Frage der Gütergemeinschaft die
Motive auseinanderhalten, die religiösen und wirtschaftlichen und
wiederum die natürlichen durch die Kriegswirtschaft hervorgetriebe-
nen Maßnahmen und dieÄußerungen einfacher Begehrlichkeit; man
sieht auch nicht klar, wie weit die Ausführung kam und wie weit
man demRadikalismus auch auf diesemGebiet verfiel. Sicher ist doch,
daß die von der Kriegswirtschaft unabhängig entstandene Tendenz
auf einen tunlichst weitgehenden Kommunismus ging und daß
man zu den Ansätzen auch eines Produktionskommunismus kam2,
daß auch bei den wirtschaftlichen Maßnahmen die niederen Triebe
1 Bei Bouterwek a. a. O. S. 333.
2 Vgl. dazu Kerssenbroch S. 507ff., 583ff., Gresbeck S. 32f., 35, 175f.
(über die Landverteilung), die auf Herrn. Ramers zurückgehende (vgl. Detmer
in Ztschr. f. vaterl. Gesch., 1893) Ordnung der Wiedertäuffer zu Münster
in Ztschr. f. vaterl. Gesch., 1856, S. 244ff. (über die Häuser: die haben sie
geport, wellicher in einem bösen Haus war, der bütt die Diacon, die weisen
in ein besseres).