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Lenel, Otto; Partsch, Josef; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 1. Abhandlung): Zum sog. Gnomon des Idios logos — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37768#0014
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0. Lenel und J. Partsch:

Unser Auszug nun stellt einen unter den Papyri bisher nicht
vertretenen Typus dar. Es handelt sich um eine Aufzeichnung
über das von dem ίδιος λόγος angewendete und anzuwendende
Recht. Die Rechtssätze und Präjudizien werden uns aber nicht
in ihrer ursprünglichen Form mitgeteilt, sondern nur in Form
eines Berichts über ihren Inhalt, mitunter auch über ihre Herkunft.
\ron wem der Auszug herrührt und auf wessen Kenntnisnahme
er berechnet ist, veriät uns das Begleitschreiben leider nicht.
Schubart denkt (S. 9) an eine Verfügung des Kaisers an einen
ägyptischen Statthalter oder des Statthalters an den Idiologen oder
an ein Schreiben eines Idiologen an seinen Nachfolger. Wahr-
scheinlicher dünkt uns die Annahme, daß die Mitteilung sich
lediglich an die jedenfalls zahlreichen Unterbeamten des ίδιος λόγος
(oder einen von ihnen) richtete, deren Kenntnis von der Praxis
des Amts durch ihn ergänzt werden sollte, und daß sie aus der
Kanzlei des Idiologus stammte. Daß der Papyrus in dem Dorf
Theadelphia gefunden worden ist, spricht jedenfalls nicht gegen
diese Vermutung, und sehr dafür spricht, daß der Verfasser an
mehr als einer Stelle so geringe juristische Sachkenntnis verrät,
daß es kaum angeht, sich ihn als den Chef eines großen Amts
zu denken.
Schubart zieht (S. 7) aus seiner Annahme einen nicht un-
bedenklichen Schluß. Da römische Beamte nur lateinisch mit-
einander verkehrt hätten, so seien wahrscheinlich selbst diejenigen
Sätze des Gnomon, die ihren Ursprung in der griechischen Kanzlei
des ίδιος λόγος gehabt haben mögen, in lateinischer Fassung ein-
gereiht und erst als der Auszug die Kanzlei in Alexandria verließ,
um den nachgeordneten Behörden zugänglich gemacht zu werden,
ins Griechische übersetzt worden. Er nimmt daher selbst für
diesen Auszug, jedenfalls für den größten Teil davon (S. 7, 8)
einen lateinischen Urtext an. Sobald man sich den Auszug als
von vornherein an Unterbeamte adressiert denkt, verliert diese
Vermutung ihre Grundlage. Daß ein Teil des Textes Übersetzung
aus dem Lateinischen ist, läßt sich allerdings, wie sich zeigen wird,
sicher nachweisen; sehr vieles aber, insbesondere das auf griechische
und ägyptische Verhältnisse Bezügliche, kann und manches muß
schon ursprünglich griechisch geschrieben gewesen sein. Da und
dort begegnen uns im Text griechische Wendungen, die sich gar
nicht oder nicht genau oder nur mühselig ins Lateinische übersetzen
lassen. Um nur einige Beispiele anzuführen, so liegt unseres Erachtens
 
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