V. Der Kalender des Claudius Ptolemäus.
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Beobachtungen ältere Aufzeichnungen zu benutzen (άπ5 αυτών των
προτέρων άναγραφών 204, 3), oder — offenbar als Ersatz für die
Umrechnung auf andere Breiten und Zeiten — die Übertragung
in jedem einzelnen Fall durch Ablesung des Präzessions-Himmels-
globus zu vollziehen (άπο αύτής τής σφαιρικής διαΤέσεως έκάστοτε . .
καταλαμβάνεσΕαι 204, 3—5), dessen Konstruktion er Synt. VIII
cap. 3 ausführlich beschrieben hat.
Auch in den Fixsternphasen hat Ptolemäus sich zu der in
der Syntaxis theoretisch dargelegten aber praktisch abgelehnten
streng wissenschaftlichen Methode der Himmelsbeobachtung
und der auf Beobachtung gegründeten Berechnung bekannt.
Darüber läßt die Einleitung von Buch II, welche den Inhalt des
verlorenen theoretischen Buches I zusammenfaßt, keinen Zweifel.
Aber auch die alte Abneigung gegen jenen Wust von Rechnung
kommt wie in einem Stoßseufzer zum Ausdruck: „Ich werde die
Zeiten der Phasen darlegen . . Ihretwegen bin ich genötigt die
Berechnungen auch aller jener Bedingungen (p. 3) vorher durchzu-
arbeiten“ (ών ενεκεν άναγκαΐον κάκείνων απάντων προδιεργάσασΤαι
τούς έπιλογισμούς 4, 21—23).
Seit Eudoxus war der Himmelsglobus nicht nur ein Werk-
zeug der astronomischen Veranschaulichung und Belehrung, son-
dern auch der wissenschaftlichen Forschung. Diese Erkenntnis
ist schon vor 100 Jahren durch Delambre gewonnen und durch
neuere Forschungen befestigt und erweitert worden1. Der einmal
konstruierte Himmelsglobus erlaubte jederzeit Sternstellungen
herbeizuführen, die man am Himmel geduldig abwarten mußte,
oder die am AVohnort des Forschers überhaupt nicht, oder am
Tage, oder unter dem Horizont erfolgten. Er kam dem Drange
des griechischen Geistes nach allgemeiner Erkenntnis in verhängnis-
voller Weise entgegen und verführte ihn dazu, die Einzelbeobach-
tung der Vorgänge am wirklichen Himmel zu überspringen.
1 J. B. J. Delambre, histoire de Pastronomie ancienne, Paris 1817;
an vielen Stellen z. B. discours pr61iminaire tome I, p. X, XXXII, p. 72,
117, 122. Paul Tannery, Recherches sur Phistoire de Pastronomie ancienne,
1893, p. 272, 275. Franz Boll, Sphära, 1903, S. 88, 153, 155. Ders. in
Pauly-Wissowa VII, Art. Globen. 1427/28. Hans Weinhold, Die Astronomie
in der antiken Schule. Diss. München 1912. S. 41 ff. [Die gründliche Arbeit
meines für das Vaterland am 25. Januar 1915 gefallenen Schülers
Dr. Alois Schlachter, der Globus, seine Entstehung und Verwendung
in der Antike nach den literarischen Quellen und den Darstellungen in
der Kunst, konnte bisher noch nicht gedruckt werden.]
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Beobachtungen ältere Aufzeichnungen zu benutzen (άπ5 αυτών των
προτέρων άναγραφών 204, 3), oder — offenbar als Ersatz für die
Umrechnung auf andere Breiten und Zeiten — die Übertragung
in jedem einzelnen Fall durch Ablesung des Präzessions-Himmels-
globus zu vollziehen (άπο αύτής τής σφαιρικής διαΤέσεως έκάστοτε . .
καταλαμβάνεσΕαι 204, 3—5), dessen Konstruktion er Synt. VIII
cap. 3 ausführlich beschrieben hat.
Auch in den Fixsternphasen hat Ptolemäus sich zu der in
der Syntaxis theoretisch dargelegten aber praktisch abgelehnten
streng wissenschaftlichen Methode der Himmelsbeobachtung
und der auf Beobachtung gegründeten Berechnung bekannt.
Darüber läßt die Einleitung von Buch II, welche den Inhalt des
verlorenen theoretischen Buches I zusammenfaßt, keinen Zweifel.
Aber auch die alte Abneigung gegen jenen Wust von Rechnung
kommt wie in einem Stoßseufzer zum Ausdruck: „Ich werde die
Zeiten der Phasen darlegen . . Ihretwegen bin ich genötigt die
Berechnungen auch aller jener Bedingungen (p. 3) vorher durchzu-
arbeiten“ (ών ενεκεν άναγκαΐον κάκείνων απάντων προδιεργάσασΤαι
τούς έπιλογισμούς 4, 21—23).
Seit Eudoxus war der Himmelsglobus nicht nur ein Werk-
zeug der astronomischen Veranschaulichung und Belehrung, son-
dern auch der wissenschaftlichen Forschung. Diese Erkenntnis
ist schon vor 100 Jahren durch Delambre gewonnen und durch
neuere Forschungen befestigt und erweitert worden1. Der einmal
konstruierte Himmelsglobus erlaubte jederzeit Sternstellungen
herbeizuführen, die man am Himmel geduldig abwarten mußte,
oder die am AVohnort des Forschers überhaupt nicht, oder am
Tage, oder unter dem Horizont erfolgten. Er kam dem Drange
des griechischen Geistes nach allgemeiner Erkenntnis in verhängnis-
voller Weise entgegen und verführte ihn dazu, die Einzelbeobach-
tung der Vorgänge am wirklichen Himmel zu überspringen.
1 J. B. J. Delambre, histoire de Pastronomie ancienne, Paris 1817;
an vielen Stellen z. B. discours pr61iminaire tome I, p. X, XXXII, p. 72,
117, 122. Paul Tannery, Recherches sur Phistoire de Pastronomie ancienne,
1893, p. 272, 275. Franz Boll, Sphära, 1903, S. 88, 153, 155. Ders. in
Pauly-Wissowa VII, Art. Globen. 1427/28. Hans Weinhold, Die Astronomie
in der antiken Schule. Diss. München 1912. S. 41 ff. [Die gründliche Arbeit
meines für das Vaterland am 25. Januar 1915 gefallenen Schülers
Dr. Alois Schlachter, der Globus, seine Entstehung und Verwendung
in der Antike nach den literarischen Quellen und den Darstellungen in
der Kunst, konnte bisher noch nicht gedruckt werden.]