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Vogt, Heinrich; Ptolemaeus, Claudius; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 15. Abhandlung): Griechische Kalender, 5: Der Kalender des Claudius Ptolemaeus — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37782#0048
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48

Heinrich Vogt:

Ein wirklich unentbehrliches Forschungsinstrument war der
Himmelsglobus für die Herleitung unbeobachtbarer Folgerungen
aus beobachteten Tatsachen, für Aufstellung und Bestätigung von
Theorien, überhaupt für alle die Aufgaben, deren Lösung später
die von Hipparch ersonnene Sehnenrechnung übernahm. Man
sollte nun glauben, daß er als Forschungsmittel durch die strengere
Sehnenrechnung abgelöst und beseitigt worden wäre. Das aber
war keineswegs der Fall. Hipparch selbst hat den Globus, den
Ptolemäus nachbildet (Heib. II, 11, 22 bis 12, 3), nicht nur kon-
struiert, sondern auch benutzt, und zwar nicht nur um die Stern-
bilder Eudoxus-Arats zu korrigieren, sondern auch um seine Mitauf-
und Untergänge aufzustellen. An solchen Sternen, deren Ilip-
parchisch-Ptolemäische Koordinaten von der wahren Lage erheblich
abweichen, wie oc Centauri und T Eridani, ist erstens zu erkennen,
daß Hipparch seine Synchronismen nicht aus der wahren Stern-
lage, also aus Himmelsbeobachtung, sondern durch Benutzung
seiner Koordinaten, mithin entweder durch Rechnung oder durch
Globusablesung gewonnen hat. Und da der vorhandene Fehler-
spielraum größer ist, als sich mit richtiger Rechnung verträgt, so
ist zweitens auf Mitbenutzung des Globus zu schließen. Auf die
wahren Sternpositionen bezogen würden die Synchronismen von
α Centauri und T Eridani mittlere Fehler von 26,0 und 30,4 Zeit-
minuten enthalten, nach Hipparchischen Koordinaten 4,0 und
3,2 Zeitminuten. Schon Delamrre findet bei Hipparch Fehler
von 1° bis 4° und schließt daraus auf Globusablesung (I, 117, 123,
148).
Also Ptolemäus ist mit der Einfügung des Himmelsglobus in
die streng wissenschaftliche Syntaxis und seiner Benützung zu
wissenschaftlicher Forschung nicht neue AVege gewandelt, sondern
ist einem alten, auch nach Erfindung der Sehnenrechnung nicht
erloschenen Brauche gefolgt und hat sich, freilich auf Kosten der
Genauigkeit, dadurch eine Erleichterung verschafft, die seiner Auf-
fassung der Aufgabe entsprechend in diesem Falle ihm durchaus
erwünscht und erlaubt erscheinen mußte.
In der Tat wäre die rein rechnungsmäßige Herstellung des
Fixsternkalenders nach den Ptolemäischen Methoden eine ganz
ungeheure Leistung gewesen. Wenn man bedenkt, daß 200 Jahre
nach der julianischen Kalenderordnung die Fixsternkalender doch
nur noch archäologischen Wert oder volkstümliches Interesse be-
saßen, wird man milde darüber denken, daß Ptolemäus auf sein
 
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