V. Der Kalender des Claudius Ptolemäus. 49
altes Urteil von der χρονοτρίβεια zurückkam und darnach handelte.
Man wird sich mehr darüber wundern, daß er bei dieser Stellung
zu der Aufgabe an den Anachronismus eines Fixstern- und Epise-
masienkalenders überhaupt seine Kraft wandte. Reizen konnte
ihn allenfalls die Aufgabe, die von Alters her mitgeschleppten
Fehler der Fixsterndaten zu verbessern, aber er konnte nicht
hoffen, die volkstümlichen Parapegmen durch einen wissenschaft-
lich einwandfreien Fixsternkalender praktisch zu ersetzen. Plejaden
und Flyaden, Böckchen und Protrygeter hatten die jahrhunderte-
lange Tradition für sich. Ptolemäus verwarf sie, weil ihre Phasen
wegen mangelnder Lichtstärke oder Umgrenzung nicht scharf
erkennbar seien. Aber gerade diese Dehnbarkeit und Unbestimmt-
heit mußte ihre Festigkeit und Unwiderlegbarkeit im Volksglauben
sichern; gerade wie der Mond die Unzerstörbarkeit seines Rufes
der Wetterbeeinflussung zum guten Teil dem Umstande verdankt,
daß seine Phasen nicht scharf erkennbar sind, und daß man ihnen
gern 2 bis 3 Tage Spielraum nach vorwärts und rückwärts zu-
gesteht.
Vor der wissenschaftlichen Fixierung des Mond- oder Sonnen-
jahres, sagen wir zur Zeit Hesiods, waren die Fixsternphasen
zweifellos wichtige Mittel der Jahresteilung; der mit der Natur in
dauernder Verbindung lebende Mensch, der Landmann und See-
mann, konnte sie persönlich beobachten. Unterstützt durch die
άστρων διαστήματα stellte er damit seinen Kalender selbst her.
Auf einem der seit Meton üblichen Parapegmen, wie wir es
in der Groß- und Handelsstadt Milet ausgegraben haben, waren
tatsächlich 3 Kalender miteinander verknüpft, der Metonsche
Mondkalender durch die Löcher und numerierten Stifte, der
Sonnenkalender durch das Zodiakalschema, der Fixsternkalender
durch die Fixsternphasen. Die Benutzung des Metonschen Kalen-
ders verlangte nur Bewußtsein von der Einordnung des gegen-
wärtigen Tages und Ablesung des Monatsnamens und Datums.
Das Zodiakalschema lieferte die Verknüpfung mit der Sonnen-
jahreszeit und dem durch sie bedingten allgemeinen physisch-
klimatischen Zustande. Ebensowenig wie der Bürger von Milet
die Sonnenstationen, die ihm das Schema am richtigen Monats-
tage fertig darbot, selbst beobachtete und beobachten konnte,
ebensowenig dürfen wir glauben, daß er in der Morgen- und
Abenddämmerung die Sichtbarkeit der Plejaden oder eines
andern Gestirns belauerte und aus dem mühsam erhaschten
Sitzungsberichte der Heideib. Akad., phil.-hist. Kl. 1920. 15. Abh.
altes Urteil von der χρονοτρίβεια zurückkam und darnach handelte.
Man wird sich mehr darüber wundern, daß er bei dieser Stellung
zu der Aufgabe an den Anachronismus eines Fixstern- und Epise-
masienkalenders überhaupt seine Kraft wandte. Reizen konnte
ihn allenfalls die Aufgabe, die von Alters her mitgeschleppten
Fehler der Fixsterndaten zu verbessern, aber er konnte nicht
hoffen, die volkstümlichen Parapegmen durch einen wissenschaft-
lich einwandfreien Fixsternkalender praktisch zu ersetzen. Plejaden
und Flyaden, Böckchen und Protrygeter hatten die jahrhunderte-
lange Tradition für sich. Ptolemäus verwarf sie, weil ihre Phasen
wegen mangelnder Lichtstärke oder Umgrenzung nicht scharf
erkennbar seien. Aber gerade diese Dehnbarkeit und Unbestimmt-
heit mußte ihre Festigkeit und Unwiderlegbarkeit im Volksglauben
sichern; gerade wie der Mond die Unzerstörbarkeit seines Rufes
der Wetterbeeinflussung zum guten Teil dem Umstande verdankt,
daß seine Phasen nicht scharf erkennbar sind, und daß man ihnen
gern 2 bis 3 Tage Spielraum nach vorwärts und rückwärts zu-
gesteht.
Vor der wissenschaftlichen Fixierung des Mond- oder Sonnen-
jahres, sagen wir zur Zeit Hesiods, waren die Fixsternphasen
zweifellos wichtige Mittel der Jahresteilung; der mit der Natur in
dauernder Verbindung lebende Mensch, der Landmann und See-
mann, konnte sie persönlich beobachten. Unterstützt durch die
άστρων διαστήματα stellte er damit seinen Kalender selbst her.
Auf einem der seit Meton üblichen Parapegmen, wie wir es
in der Groß- und Handelsstadt Milet ausgegraben haben, waren
tatsächlich 3 Kalender miteinander verknüpft, der Metonsche
Mondkalender durch die Löcher und numerierten Stifte, der
Sonnenkalender durch das Zodiakalschema, der Fixsternkalender
durch die Fixsternphasen. Die Benutzung des Metonschen Kalen-
ders verlangte nur Bewußtsein von der Einordnung des gegen-
wärtigen Tages und Ablesung des Monatsnamens und Datums.
Das Zodiakalschema lieferte die Verknüpfung mit der Sonnen-
jahreszeit und dem durch sie bedingten allgemeinen physisch-
klimatischen Zustande. Ebensowenig wie der Bürger von Milet
die Sonnenstationen, die ihm das Schema am richtigen Monats-
tage fertig darbot, selbst beobachtete und beobachten konnte,
ebensowenig dürfen wir glauben, daß er in der Morgen- und
Abenddämmerung die Sichtbarkeit der Plejaden oder eines
andern Gestirns belauerte und aus dem mühsam erhaschten
Sitzungsberichte der Heideib. Akad., phil.-hist. Kl. 1920. 15. Abh.