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Künßberg, Eberhard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 7. Abhandlung): Rechtsbrauch und Kinderspiel: Untersuchungen zur deutschen Rechtsgeschichte und Volkskunde — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37774#0057
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Rechtsbrauc'h und Kinderspiel.

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einen Gegenstand hineinwirft. Dafür gibt es sehr deutliche Vor-
bilder im älteren Recht, die ganz lebendig die Jagd nach dem
Friedbrecher schildern, z. B. heißt es in einem steirischen Weistum1:
Item in dem pfarrhof und uf dem freidhof hat es fürstliche freiheiten;
wo einer dem andern so eilents nachjagte, wan er nur ein giirtl oder
den hut hineinwurf und der ander in doriber schlieg, so ist der schloger
die freiheit verfallen, nämlich der herrschaft 32 fl.
In anderen Quellen ist einfach vom Hineinwerfen eines Wahr-
zeichens2 oder Pfandes3 die Rede; wir werden da natürlich an
Kleidungsstücke wie die eben genannten, an Messer und andere
persönliche „Pfänder“ zu denken haben, gerade wie im Pfänder-
spiel. Das in die Freiung geworfene Pfand hat nicht nur die Auf-
gabe sozusagen die Person des Geflüchteten zu vertreten, sondern
vielmehr in erster Linie soll es den rechtmäßigen Erwerb des
Freiungsrechtes dartun wie folgende Stelle beweist:
‘Wie ainer der obbemelten freyung bekhumen soll? die soll ainer
von ciinem richter zu H. bestehen mit zwayen pfenningen . . Ob aber
ainer von seinem feind geeilt wurde und die freyung von ainer obrig-
khait nit bestehen mecht, so mag er alsdan in die beriirte freyung
werfen zwei pfenning werth und spreche hie besteh ich meines gn.
hem von Stahrnberg freyung/’4 Also ganz wie es in den Spielen
üblich ist. Auch dafür, daß schon das Berühren von Mauern,
Zäunen, Türgriffen usw. rettend ist, auch dafür lassen sich ältere
Vorbilder beibringen5. Beim Berühren von Türgriffen kann auch
ein anderer Gedanke mitspielen, der von der Dämonenfeindlich-
keit des Eisens, der insbesondere dem Eisenmännchenspiel zugrunde-
liegt6.
Was für Gerichtspersonen begegnen wir im Kinderspiel ?
Richter7 ist bald der König, bald eine andere Person, bisweilen
1 ÖW. 10, 136 aus dem 17. Jahrhundert. Ygl. ebd. S. 152 (1580) den
Hut über den Bannzaun werfen.
2 Z. B. ÖW. 7, 728.
3 Z. B. ÖW. 11, 221 (vom Jahre 1414).
4 Grimm, Weist. 3, 684f. (Oberösterr.).
5 Vgl. Groll, Kirchl. Freiungsrecht, S. 209 (Stütz, Kirchenr., Abhand-
lung 75, 76).
6 Rochholz, Alam. Kinderlied, 406. Böhme, Kinderlied, 560f. Han-
delmann, Volks- und Kinderspiele in Schleswig Holstein2, 66. Franz, Bene-
diktionen im Mittelalter II, 521. Wuttke, Volksaberglaube3, S. 95. Revue
des traditions populaires 19, 387 (s. oben S. 47).
7 Richterspiel vgl. Böhme, Kinderlied, S. 638. Bolte, ZVk. 19 (1909), 409.
 
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