Vita Gontemplativa.
des Handelnden, zu dem der besondere Typus des Politikers, aber
auch der des bloß Erwerbenden gehört; und ein dritter, der βίος
θεωρητικός, der dem Anschauen und der Forschung hingegeben ist.
Man darf sich, bei der anhaltenden geistigen Spannung im
griechischen Wesen, unter dem βίος θεωρητικός von vornherein
nicht eine beschauliche Versunkenheit vorstellen, die einem Dasein
des trägen Genusses nahe käme. Eine solche Art von Quietismus,
die aber immer noch Züge einer feinen Resignation zeigt, taucht
erst auf, als die ungeheure Lebenskraft des Griechentums schon
halb verbraucht und gebrochen ist, also im Hellenismus; und zwar
etwa gleichzeitig in einzelnen Spuren in der neuen attischen Komödie
des Menander, in der idyllischen Dichtung der Bukolik, auch in
jener Mahnung, im Verborgenen zu leben, die Epikur seinen Jüngern
überliefert. In alter Zeit hat wohl nur Euripides, in dessen Tra-
gödien die Ahnung von kommenden Umwertungen wie bei keinem
anderen sich hervorzuwagen pflegt, in dem Priesterknaben Ion,
dem Sohn des Apollon, eine Gestalt geschaffen, die sich träume-
risch vor der Welt verschließt und nur mit tiefem Widerstreben
aus dem stillen Heiligtum in Delphi dem Vater in den Königs-
palast folgen mag. Aber das bleibt in der klassischen Zeit ver-
einzelt.
Auch von dem Schauen des Mystikers soll hier nicht näher
gesprochen werden. Das Wort Erwin Rohdes von der Mystik als
einem fremden Tropfen im griechischen Blute wird wohl seine
Gültigkeit behalten, so mächtig gerade dieser fremde Einschlag
in der Entwicklung des Hellenentums gewirkt hat. Aber das
beschauende Sichversenken und Verlieren in die Geheimnisse der
Gottheit, das wir die Kontemplation des Mystikers nennen, wird
nicht einmal in der orphischen Heilslehre noch auch im pytha-
goreischen Leben wirklich ausgebildet. Es ist bezeichnend, daß
die Griechen und damit Europa die kontemplierende Andacht
erst im Kulte der ägyptischen Isis gelernt haben, deren Tempel
vom Morgen bis zum Abend dem stillen Gebete offen standen.
Und das Erfassen der Gottheit in jenem Zustande der Ekstase,
den man nicht erkämpfen, dem man nur entgegenharren kann,
wie dem Aufgang der Sonne, wo der Gott im Menschen wohnt
und ihn willenlos bewegt gleich den Saiten der Leier — das gehört
in seiner vollen Ausgestaltung der spätesten griechischen Zeit an.
Man fühlt, man ist hier nicht mehr im Bereich des griechischen
Logos, sondern der orientalischen Gnosis.
des Handelnden, zu dem der besondere Typus des Politikers, aber
auch der des bloß Erwerbenden gehört; und ein dritter, der βίος
θεωρητικός, der dem Anschauen und der Forschung hingegeben ist.
Man darf sich, bei der anhaltenden geistigen Spannung im
griechischen Wesen, unter dem βίος θεωρητικός von vornherein
nicht eine beschauliche Versunkenheit vorstellen, die einem Dasein
des trägen Genusses nahe käme. Eine solche Art von Quietismus,
die aber immer noch Züge einer feinen Resignation zeigt, taucht
erst auf, als die ungeheure Lebenskraft des Griechentums schon
halb verbraucht und gebrochen ist, also im Hellenismus; und zwar
etwa gleichzeitig in einzelnen Spuren in der neuen attischen Komödie
des Menander, in der idyllischen Dichtung der Bukolik, auch in
jener Mahnung, im Verborgenen zu leben, die Epikur seinen Jüngern
überliefert. In alter Zeit hat wohl nur Euripides, in dessen Tra-
gödien die Ahnung von kommenden Umwertungen wie bei keinem
anderen sich hervorzuwagen pflegt, in dem Priesterknaben Ion,
dem Sohn des Apollon, eine Gestalt geschaffen, die sich träume-
risch vor der Welt verschließt und nur mit tiefem Widerstreben
aus dem stillen Heiligtum in Delphi dem Vater in den Königs-
palast folgen mag. Aber das bleibt in der klassischen Zeit ver-
einzelt.
Auch von dem Schauen des Mystikers soll hier nicht näher
gesprochen werden. Das Wort Erwin Rohdes von der Mystik als
einem fremden Tropfen im griechischen Blute wird wohl seine
Gültigkeit behalten, so mächtig gerade dieser fremde Einschlag
in der Entwicklung des Hellenentums gewirkt hat. Aber das
beschauende Sichversenken und Verlieren in die Geheimnisse der
Gottheit, das wir die Kontemplation des Mystikers nennen, wird
nicht einmal in der orphischen Heilslehre noch auch im pytha-
goreischen Leben wirklich ausgebildet. Es ist bezeichnend, daß
die Griechen und damit Europa die kontemplierende Andacht
erst im Kulte der ägyptischen Isis gelernt haben, deren Tempel
vom Morgen bis zum Abend dem stillen Gebete offen standen.
Und das Erfassen der Gottheit in jenem Zustande der Ekstase,
den man nicht erkämpfen, dem man nur entgegenharren kann,
wie dem Aufgang der Sonne, wo der Gott im Menschen wohnt
und ihn willenlos bewegt gleich den Saiten der Leier — das gehört
in seiner vollen Ausgestaltung der spätesten griechischen Zeit an.
Man fühlt, man ist hier nicht mehr im Bereich des griechischen
Logos, sondern der orientalischen Gnosis.