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Schubert, Hans; Meissinger, Karl August; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 9. Abhandlung): Zu Luthers Vorlesungstätigkeit — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37776#0007
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Zu Luthers Vorlesungstätigkeit.

begnügen wollten mit dem, was er aus seinem Reichtum hin-
streute — gut, dann war es etwas anderes, dann trug er nicht in
dem Vollmaße die Verantwortung. Dazu kam, daß er seit 1518
Melanchthon neben sich hatte. Dessen exegetische Tätigkeit
schätzte er so hoch ein, daß er 1522 seine Kollegdiktate zum Römer-
brief und den beiden Korintherbriefen ohne sein Wissen als anno-
tationes in ep. Pauli ad Rom. et Cor. (Vorwort W. A. XII, 2,
305ff.) herausgab — volo enim tuus für esse — und, obgleich
Melanchthon sich weidlich geärgert hatte, 1523 dasselbe Spiel mit
der Vorlesung über das Evangelium Johannis wiederholte, indem
er die Nachschrift an Gerbel nach Straßburg zur Druckbesorgung
sandte (Begleitbrief W. A. XII, 56). Diese Vorlesungen wurden
als Kommentaren gleichwertig angesehen (vgl. Henmann an Heß[?]
vom 8. Oct. 1521, Theol. St. u. Kr. 1885 S. 136), und zwar Kom-
mentaren, wie sie Luther wünschte und allein zu schätzen ver-
mochte, weil ohne sie die Kirche nicht sein könnte, nämlich wahr-
haft die Schrift und Christus auslegende: quo modo ecclesia carere
possit commentariis scripturas saltem indicantibus, non video,
quales Philippi sunt, nach dem Vorbild des Hebräerbriefs und des
Paulus selbst (W. A. XII, 57lf.). Daß diese annotationes an Glät-
tung und Fülle (politiori oratione et copiosiore eruditione, W. A.
X, 2, 31026, vgl. XII 5712: si aliquid defuerit vel dispositioni vel
eloquentiae) den Ansprüchen nicht genügten, die auch Melanch-
thon an einen wirklichen Kommentar stellte, schlug Luther bei
seinem Freunde weniger an. Endlich kam gewiß bei der eigenen
Zurückhaltung in Betracht, daß er in dem großen wundervoll
gehaltreichen Galaterbriefkommentar einer-, in den operationes in
psalmos andererseits meinen mochte, die Hauptsache gesagt zu
haben, und daß es für ihn in den folgenden unruhigen Jahren
— 1521/22 bildeten ja überhaupt eine völlige Unterbrechung -
vor allem galt/mit der Bibelübersetzung eine neue Grundlage des
Ganzen für alle zu schaffen.
,,Ich wollte, es gäbe überhaupt keine Kommentare, und die
reine Schriftwahrheit würde allein viva voce behandelt“ (W. A.
XII, 5623f)! Ist das Urteil auch nicht ganz ernst zu nehmen,
an der mündlichen Verkündigung lag Luther allerdings alles, und
darunter fiel auch die Vorlesung auf dem Katheder. Er hat sie
ein Menschenalter lang durchgeführt, soweit es an ihm lag, nun-
quam otiosus nunquam feriatus (Spalatin an Bild 15. Juni 1524,
Ztschr. f. Schw. u. N. XX, 225), von 1513 bis kurz vor seinem Tode.
 
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