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Schubert, Hans; Meissinger, Karl August; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 9. Abhandlung): Zu Luthers Vorlesungstätigkeit — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37776#0033
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Zu Luthers Yorlesungstätigkeit.

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stärker abstechen als das Latein des Römerbriefkollegs von dem
des Galaterbriefkommentars.
Es ist gewiß, daß Luther sein ganzes Können als Stilist bei
dieser ersten großen exegetischen Leistung zusammengenommen
hat. Für ihn galt es, sich der Humanisten zu versichern. Diese
beherrschten die öffentliche Meinung im In- und Auslande. Die
Kurie konnte nicht wagen ihn anzutasten, wenn diese furchtbare
Gelehrtenrepublik wie ein Mann auf seine Seite trat. Luther ringt
seit der Leipziger Disputation um seine Existenz in jedem Sinne
des Wortes. Unter dem gewaltigen Druck dieses Bewußtseins geht
die große Maschine seines Geistes von selbst auf das Höchstmaß
ihrer Leistung.
Aber die Voraussetzung, daß Luther bewußt sich eines elegan-
ten Lateins bedienen wollte, reicht zur Erklärung des oben konsta-
tierten Sprachunterschiedes nicht aus. Ich halte es für ausgemacht,
daß Melanchthon das Manuskript, bevor es in die Druckerei nach
Leipzig wanderte, durchgesehen und an zahllosen Stellen ver-
bessert hat — wenn nicht das Manuskript, dann die Korrektur,
auf die die größte Sorgfalt verwendet worden ist. Melanchthons
vielgewandter Feder ist es zu verdanken, daß Luthers Latinität
in diesem Kommentar plötzlich auf einer unerwarteten Höhe steht.
Es liegt auf der Hand, wie wuchtig für die Beantwortung der
Frage nach Melanchthons Einfluß auf den Text von 1519 das
Original von 1516/17 sein müßte. Aber es ist nicht ausgeschlossen,
daß man selbst schon bei einem Vergleich unseres spärlichen Textes
mit dem Druck hier und da Melanchthons Hand entdecken kann.
Vor allem wird man die Überschüsse des Druckes auf unlutherische
Worte und Wendungen hin observieren. Ein statistischer Ver-
gleich des Sprachschatzes und der Konstruktionen von 1519 mit
denen von 1515/16 muß zu festen Ergebnissen führen. Bei der
Abgrenzung und Ausscheidung der vielen Hieronymuszitate, die
diesem Geschäft vorauszugehen hat, ergibt sich zugleich die er-
wünschte Möglichkeit, das Sondergut Luthers gegenüber diesen
fremden Einschüssen auch sachlich zu wmrcligen. Insbesondere
wird man Luther gegen den Vorwmrf in Schutz nehmen müssen,
als ob er den Kirchenvater allzu stark benutzt hätte. In vielen
Fällen läßt sich zeigen, daß er der Kurie nur das Urteil des Heiligen
Vorhalten will. Ein großer Teil der Zitate bezieht sich auf rein
Sprachliches, in anderen Fällen polemisiert er gegen Hieronymus. —

Sitzungsberichte der Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1920. 9. Abh.

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