Ein Versuch, Leopold Ranke nach Heidelberg zu berufen.
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der heißen Jahreszeit wegen seiner Heftigkeit und Lebhaftigkeit
auf dem Katheder ungeheuer angriffen; er bat, ihm diese Dispen-
sation ein- für allemal zu erwirken, so daß er nur dem Prorektor
die von ihm erwählte Zeit anzuzeigen brauche. Darauf ging man
in Karlsruhe nicht ein, man verlangte vielmehr ein in jedem Falle
zu wiederholendes Gesuch, erklärte sich aber bereit, dem ange-
sehenen Geschichtschreiber den für seine Gesundheit oder zu
seiner Erholung nötigen Urlaub jeder Zeit mit Vergnügen zu
erteilen; und als dann Schlosser 1839 einen Urlaub für den August
nachsuchte, wurde dieser ihm am 24. Mai anstandslos bewilligt.
Aber eben diese Vorgänge, auf die in unserem ersten Briefe
deutlich bezug genommen wird, veranlaßten nun doch die Staats-
regierung, ernstlich an die Berufung eines zweiten Historikers zu
denken, der zunächst neben Schlosser wirken und später einmal
sein Nachfolger werden solle. Und nun nahm der Ministerpräsident
v. Reitzenstein, dessen lebhaftes Interesse für die von ihm in
den Jahren 1806—1809 reorganisierte Universität man kennt,
diese Angelegenheit selbst in die Hand. In seinem Aufträge wandte
sich also Büchler am 3. November 1839 an Pertz, der damals
in Paris arbeitete1, und bat ihn um Auskunft über Ranke, der
eben im Oktober mit Pertz in Paris zusammengetroffen war; er-
wünschte PERTzens Urteil über „diesen ebenfalls aus den Quellen
schöpfenden historischen Kollegen“ nicht bloß hinsichtlich seiner
wissenschaftlichen Tüchtigkeit, sondern auch über seine Persön-
lichkeit ,,im geselligen und wissenschaftlichen Verkehr“ zu ver-
nehmen und machte davon die weiter zu ergreifenden Maßnahmen
abhängig. So seltsam es uns anmutet, daß man in Karlsruhe
daran dachte Ranke neben Schlosser nach Heidelberg zu ziehen,
noch seltsamer ist es doch, daß man zugleich als die nächst Ranke
in Betracht kommenden Männer den braven Kortüm, den man noch
in Basel suchte, während er doch schon 1838 nach Bern berufen
war, und dann wieder Gervinus, den treuesten Schüler Schlos-
sers, in Aussicht nahm, der seit seiner Ausweisung aus Göttingen
(1837) noch keine Anstellung wieder gefunden hatte: seine Nen-
nung beweist am deutlichsten, daß man bei dem Wunsche der
Regierung Ranke zu gewinnen nicht etwa an politische Neben-
absichten zu denken hat, daß man aber auch, wenn man Schlosser
1 Vgl. über diesen Aufenthalt PERTzens in Paris, der vom 10. Oktober
bis zum 11. November dauerte, den Reisebericht im Archiv der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde VIII, 1.
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der heißen Jahreszeit wegen seiner Heftigkeit und Lebhaftigkeit
auf dem Katheder ungeheuer angriffen; er bat, ihm diese Dispen-
sation ein- für allemal zu erwirken, so daß er nur dem Prorektor
die von ihm erwählte Zeit anzuzeigen brauche. Darauf ging man
in Karlsruhe nicht ein, man verlangte vielmehr ein in jedem Falle
zu wiederholendes Gesuch, erklärte sich aber bereit, dem ange-
sehenen Geschichtschreiber den für seine Gesundheit oder zu
seiner Erholung nötigen Urlaub jeder Zeit mit Vergnügen zu
erteilen; und als dann Schlosser 1839 einen Urlaub für den August
nachsuchte, wurde dieser ihm am 24. Mai anstandslos bewilligt.
Aber eben diese Vorgänge, auf die in unserem ersten Briefe
deutlich bezug genommen wird, veranlaßten nun doch die Staats-
regierung, ernstlich an die Berufung eines zweiten Historikers zu
denken, der zunächst neben Schlosser wirken und später einmal
sein Nachfolger werden solle. Und nun nahm der Ministerpräsident
v. Reitzenstein, dessen lebhaftes Interesse für die von ihm in
den Jahren 1806—1809 reorganisierte Universität man kennt,
diese Angelegenheit selbst in die Hand. In seinem Aufträge wandte
sich also Büchler am 3. November 1839 an Pertz, der damals
in Paris arbeitete1, und bat ihn um Auskunft über Ranke, der
eben im Oktober mit Pertz in Paris zusammengetroffen war; er-
wünschte PERTzens Urteil über „diesen ebenfalls aus den Quellen
schöpfenden historischen Kollegen“ nicht bloß hinsichtlich seiner
wissenschaftlichen Tüchtigkeit, sondern auch über seine Persön-
lichkeit ,,im geselligen und wissenschaftlichen Verkehr“ zu ver-
nehmen und machte davon die weiter zu ergreifenden Maßnahmen
abhängig. So seltsam es uns anmutet, daß man in Karlsruhe
daran dachte Ranke neben Schlosser nach Heidelberg zu ziehen,
noch seltsamer ist es doch, daß man zugleich als die nächst Ranke
in Betracht kommenden Männer den braven Kortüm, den man noch
in Basel suchte, während er doch schon 1838 nach Bern berufen
war, und dann wieder Gervinus, den treuesten Schüler Schlos-
sers, in Aussicht nahm, der seit seiner Ausweisung aus Göttingen
(1837) noch keine Anstellung wieder gefunden hatte: seine Nen-
nung beweist am deutlichsten, daß man bei dem Wunsche der
Regierung Ranke zu gewinnen nicht etwa an politische Neben-
absichten zu denken hat, daß man aber auch, wenn man Schlosser
1 Vgl. über diesen Aufenthalt PERTzens in Paris, der vom 10. Oktober
bis zum 11. November dauerte, den Reisebericht im Archiv der Gesellschaft
für ältere deutsche Geschichtskunde VIII, 1.