Studien zur Spätscholastik. I.
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liehen Sinne, die über „zufällige“ Wahrheiten sich erhebt1. Wäh-
rend alles Geschehen sich am einzelnen vollzieht, handelt die
Wissenschaft nur vom allgemeinen2.
Man sieht: es sind die Kernsätze der aristotelischen Analytik,
die hier unbekümmert um alle scheinbare Subjektivierung des
Erkenntnisprozesses festgehalten werden. Erfahrung und logische
Evidenz als die Pfeiler alles Erkennens scheinen auch durch die
ausführlichere Darstellung hindurch, die der Sentenzenkommentar
von der Genesis und Begründung des zustimmenden Urteils ent-
wirft. Ohne formellen Beweis, d. h. unmittelbar läßt sich die Zu-
stimmung aussprechen auf Grund der sinnlichen Wahrnehmung
(z. B. in dem Urteil: „Dies Betastete ist warm“), oder auf Grund
der sinnlichen Wahrnehmung mit Hilfe des abstrahierenden Ver-
standes (z. B. „Alles Feuer ist warm“), oder aus Prinzipien, die
uine „notwendige“ Beziehung zwischen den Begriffen setzen (z. B.
„Das Ganze ist größer als sein Teil“), oder endlich im Vertrauen
auf eine Autorität, wie gegenüber dem Glaubenssatze von der
göttlichen Trinität. Die unbefangene Nebeneinanderstellung von
Autoritäts- und Erfahrungsbeweis in dieser Aufzählung erhält ihre
besondere Bedeutung und nähere Ausführung in dem theologischen
System, von dem noch die Rede sein wird. Auch von den „Be-
weisen“, die zu dem nicht unmittelbar evidenten, sondern abgelei-
teten assensiven Urteil hinführen, gibt es vier Arten; denn wenn
auch alle „Wissenschaft“ in streng logischen Ableitungen (Schlüs-
sen) aus sicher erkennbaren Prinzipien besteht, so gibt es doch
außer ihr noch ein weniger strenges Wissen abgestuften Gewiß-
heitsgrades: die Vermutung auf Grund gewisser unsicherer Ein-
1 Metaph. lib. II, qu. 1, art. 3, BI. 13, d: [Intellectus] per abstractionem
a singularibus conceptibus sumit conceptus communes, qui combinati faciunt
propositiones necessarias, sicud sund iste: ,,Substantia estvel ,,aliquid est“. . .
Cum tales fuerint evidentes, eo quod termini eorum evidentem veritatem in se
includunt ex parte sue significationis, intellectus eis formatis statim sine qua-
eumque declaratione assentit, eo quod naturaliter inclinatur ad veritatem.
Huius modi paucas intellectus per se componit, sed rnultas per instructionem ab
alio.. . . Ex ülis formatis . . . devenit ad noticiam conclusionum ex illis inferri-
bilium, ad quod plurimum confert doctrina ab alio scientie, quomodo principia
debent disponi ad illacionem suarum conclusionum, quod hoc difficiliter in-
venit homo per scriptum.
2 1. c. lib. I, qu. 6, art. 4: Philosophus voluit. . . quod ars et scientia
.sunt universalia, quod sunt de rebus solum. secundum conceptus suos universales,
. . . quod actus sunt circa singularia.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1921. 4. Abh. 5
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liehen Sinne, die über „zufällige“ Wahrheiten sich erhebt1. Wäh-
rend alles Geschehen sich am einzelnen vollzieht, handelt die
Wissenschaft nur vom allgemeinen2.
Man sieht: es sind die Kernsätze der aristotelischen Analytik,
die hier unbekümmert um alle scheinbare Subjektivierung des
Erkenntnisprozesses festgehalten werden. Erfahrung und logische
Evidenz als die Pfeiler alles Erkennens scheinen auch durch die
ausführlichere Darstellung hindurch, die der Sentenzenkommentar
von der Genesis und Begründung des zustimmenden Urteils ent-
wirft. Ohne formellen Beweis, d. h. unmittelbar läßt sich die Zu-
stimmung aussprechen auf Grund der sinnlichen Wahrnehmung
(z. B. in dem Urteil: „Dies Betastete ist warm“), oder auf Grund
der sinnlichen Wahrnehmung mit Hilfe des abstrahierenden Ver-
standes (z. B. „Alles Feuer ist warm“), oder aus Prinzipien, die
uine „notwendige“ Beziehung zwischen den Begriffen setzen (z. B.
„Das Ganze ist größer als sein Teil“), oder endlich im Vertrauen
auf eine Autorität, wie gegenüber dem Glaubenssatze von der
göttlichen Trinität. Die unbefangene Nebeneinanderstellung von
Autoritäts- und Erfahrungsbeweis in dieser Aufzählung erhält ihre
besondere Bedeutung und nähere Ausführung in dem theologischen
System, von dem noch die Rede sein wird. Auch von den „Be-
weisen“, die zu dem nicht unmittelbar evidenten, sondern abgelei-
teten assensiven Urteil hinführen, gibt es vier Arten; denn wenn
auch alle „Wissenschaft“ in streng logischen Ableitungen (Schlüs-
sen) aus sicher erkennbaren Prinzipien besteht, so gibt es doch
außer ihr noch ein weniger strenges Wissen abgestuften Gewiß-
heitsgrades: die Vermutung auf Grund gewisser unsicherer Ein-
1 Metaph. lib. II, qu. 1, art. 3, BI. 13, d: [Intellectus] per abstractionem
a singularibus conceptibus sumit conceptus communes, qui combinati faciunt
propositiones necessarias, sicud sund iste: ,,Substantia estvel ,,aliquid est“. . .
Cum tales fuerint evidentes, eo quod termini eorum evidentem veritatem in se
includunt ex parte sue significationis, intellectus eis formatis statim sine qua-
eumque declaratione assentit, eo quod naturaliter inclinatur ad veritatem.
Huius modi paucas intellectus per se componit, sed rnultas per instructionem ab
alio.. . . Ex ülis formatis . . . devenit ad noticiam conclusionum ex illis inferri-
bilium, ad quod plurimum confert doctrina ab alio scientie, quomodo principia
debent disponi ad illacionem suarum conclusionum, quod hoc difficiliter in-
venit homo per scriptum.
2 1. c. lib. I, qu. 6, art. 4: Philosophus voluit. . . quod ars et scientia
.sunt universalia, quod sunt de rebus solum. secundum conceptus suos universales,
. . . quod actus sunt circa singularia.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1921. 4. Abh. 5