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Sillib, Rudolf; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 1. Abhandlung): Auf den Spuren Johannes Hadlaubs — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38034#0011
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Eine der anziehendsten Schilderungen in Gottfried Kellers
Züricher Novellen ist die eingangs des Hadlaub beschriebene. Wir
sehen den alten Meister Konrad von Mure, den rühmlichen Vor-
steher der Singschule am GroßnVinsterstift von Zürich mit dem
Kinde Fides den Zürichberg durch den Wald hinauf zur Hofstätte
des Bauers Ruoff am Hadeloub schreiten, wo der Kantor des
Bauern sangesbegabten Knaben Johannes, „um ihn zunächst zu
einem Schreiberlein und Schüler heranzubilden“, zur Aufnahme
in seine Schule begehrte. „Nach ungefähr acht Jahren finden wir
den Johannes Hadlaub . . . bei allerhand gelehrter Arbeit. Konrad
von Mure hatte ihn unter seine ganz besondere Obhut genommen
und zu allererst so schnell schreiben und lesen gelehrt, wie ein
Kriegsmann seinen Knaben reiten und fechten. Gleichzeitig mit
dieser Übung und durch dieselbe mußte er die Sprache deutsch
Lind lateinisch verstehen lernen, denn der Meister gönnte ihm nicht
soviel Zeit hiezu wie den Pfaffen- und Herrenknaben der Stifts-
schule; ... er mußte nicht nur Noten und Worte der Kirchenmusik
schreiben, sondern auch die Reimwerke Konrads . . ., bis sein Tauf-
gevatter Johannes Manesse der Custos und Scholaster der Propstei
Zürich, der Sohn des Herrn Rüdiger . . . der flinken Hand des
Knaben gewahr wurde. Der zögerte nicht lange, sondern ließ sich
von ihm alle die alten und neuen Minnelieder . . . abschreiben,
deren er habhaft werden konnte in seinem weltlichen Sinne, und
Konrad von Mure machte sich eifrig herbei und wachte darüber,
daß sie richtig in Ton und Maß geschrieben . . . wurden. Hier-
durch erlangte der junge Pladlauber, gelehrig und stets munter,
eine neue Kenntnis und Übung ... — Seit mehreren Jahren war
nun der greise Kantor und Stiftsherr von Mure tot, Johannes
Hadlaub aber an der Singschule und Bücherei beschäftigt geblie-
ben, ohne sich für den Stand der Geistlichkeit bereit zu machen . . .
Wenn Johannes ein geschäftskundiger weltlicher Bürgersmann in
der Stadt würde, so war dessen Vater das auch recht, und jener
begann in der Tat von verschiedenen Plerren bei ihren Verhand-
lungen als Schreiber benützt zu werden.“
Soweit Gottfried Keller in seiner auf Grund allerlei ge-
schichtlicher Erkenntnisse gewonnenen Auffassung von Johannes
 
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