4
Rudolf Sillib:
Hadlaubs Jugendzeit! Was Meister Gottfried in dichterischer In-
tuition erfaßt hat, sei im folgenden an der Hand neu gefundener
Dokumente zu prüfen und zu bestätigen versucht.
Mehr als irgendein anderer Minnesinger hat Hadlaub zwar
selbst in seinen Liedern und Leichen aus seinem Leben berichtet,
jene bekannten Züge, die bisher sein literarisches Porträt umschrie-
ben haben; ob sie aber alle der Wirklichkeit entsprechen, bleibt
eine offene Frage. Biographisch Zuverlässiges ist uns bisher so gut
wie nichts überliefert. Hadlaubs von Keller angenommene bäuer-
liche Abstammung erscheint angesichts seiner derben Dorfpoesie,
namentlich der Herbstlieder wohl glaubhaft. Auf dem festen Boden
historischer Tradition beruht einzig die Nachricht einer Urkunde,
daß im Jahr 1302 Johannes Hadloube laut Erklärung des Rates
von Zürich am Neumarkt ein Haus gekauft habe. Über seinen
Bildungsgang war bisher nichts bekannt. Willkommenes Licht in
seine von ihm selbst durch Schweigen verhüllte Jugendzeit bringen
einige auf Rasur stehende Federproben, die wir auf einem bei-
gebundenen Doppelblatt am Schluß einer aus dem 13. Jahrhundert
stammenden kanonistischen Bamberger Handschrift1, eines decre-
tum Gratiani cum glossis, wie folgt lesen:
Bl. 269 unten: ego Gaufridus francigenaconfiteor me accepisse a
Johanne XV. 1. bon. XI. Kl. april. pro quibus obligavi ei
decreta mea sine parinismis[!].
269' in der Mitte des Blattes von anderer kursiver Hand:
Ignis prope positos magis consuevit calefacere quam remo-
tos. Cum igitur vestre manus largitatis ignotis sit solita
subvenire, multo fortius mihi vobis prope posito debet [über
die letzten 5 Worte geschrieben: qui vobis sum prope positus
tenebitur] in aliquibus adiuvare. Avaritie enim omnino
effugit qui dare negligit quod duplicatum recipit cum im-
pendit. Hoc enim attendentes quod sicut aurum in fornace
sic in necessitate amitus conprobatur.
dann Zwischenraum von 2 Zeilen, darauf von der gleichen Hand,
nur etwas verschnörkelter (kursive gotische Zierschrift):
Reverendo Magistro suo. C. dicto de Mure Canonico Turi-
censi. Jo. eius Scolaris ad suum nutum omnimodis se con-
versum. se converti.
unten, wohl von anderer Hand und Tinte altfranzösisch:
Schanzünete rö v . . . das übrige dieser einzigen Zeile stark
radiert!
Rudolf Sillib:
Hadlaubs Jugendzeit! Was Meister Gottfried in dichterischer In-
tuition erfaßt hat, sei im folgenden an der Hand neu gefundener
Dokumente zu prüfen und zu bestätigen versucht.
Mehr als irgendein anderer Minnesinger hat Hadlaub zwar
selbst in seinen Liedern und Leichen aus seinem Leben berichtet,
jene bekannten Züge, die bisher sein literarisches Porträt umschrie-
ben haben; ob sie aber alle der Wirklichkeit entsprechen, bleibt
eine offene Frage. Biographisch Zuverlässiges ist uns bisher so gut
wie nichts überliefert. Hadlaubs von Keller angenommene bäuer-
liche Abstammung erscheint angesichts seiner derben Dorfpoesie,
namentlich der Herbstlieder wohl glaubhaft. Auf dem festen Boden
historischer Tradition beruht einzig die Nachricht einer Urkunde,
daß im Jahr 1302 Johannes Hadloube laut Erklärung des Rates
von Zürich am Neumarkt ein Haus gekauft habe. Über seinen
Bildungsgang war bisher nichts bekannt. Willkommenes Licht in
seine von ihm selbst durch Schweigen verhüllte Jugendzeit bringen
einige auf Rasur stehende Federproben, die wir auf einem bei-
gebundenen Doppelblatt am Schluß einer aus dem 13. Jahrhundert
stammenden kanonistischen Bamberger Handschrift1, eines decre-
tum Gratiani cum glossis, wie folgt lesen:
Bl. 269 unten: ego Gaufridus francigenaconfiteor me accepisse a
Johanne XV. 1. bon. XI. Kl. april. pro quibus obligavi ei
decreta mea sine parinismis[!].
269' in der Mitte des Blattes von anderer kursiver Hand:
Ignis prope positos magis consuevit calefacere quam remo-
tos. Cum igitur vestre manus largitatis ignotis sit solita
subvenire, multo fortius mihi vobis prope posito debet [über
die letzten 5 Worte geschrieben: qui vobis sum prope positus
tenebitur] in aliquibus adiuvare. Avaritie enim omnino
effugit qui dare negligit quod duplicatum recipit cum im-
pendit. Hoc enim attendentes quod sicut aurum in fornace
sic in necessitate amitus conprobatur.
dann Zwischenraum von 2 Zeilen, darauf von der gleichen Hand,
nur etwas verschnörkelter (kursive gotische Zierschrift):
Reverendo Magistro suo. C. dicto de Mure Canonico Turi-
censi. Jo. eius Scolaris ad suum nutum omnimodis se con-
versum. se converti.
unten, wohl von anderer Hand und Tinte altfranzösisch:
Schanzünete rö v . . . das übrige dieser einzigen Zeile stark
radiert!