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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0054
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54

Gerhard Ritter:

„negativen Theologie“, die Gott sowohl dem All wie dem Nichts
gleichsetzt, immer naheliegt und für ihre Christlichkeit die ernsteste
Gefahr bedeutet1. Es spricht hier der christliche Dogmatiker, der
für die Idee der Persönlichkeit Gottes und für die absolute Unter -
schiedenheit des Schöpfers vom Geschaffenen kämpft — nicht der
Nominalist, der ja auch viel weniger leicht, als der Realist, zu jenem
relativen Verständnis der mystischen Grundideen hätte gelangen
können, das Wenck immerhin aufgebracht zu haben scheint2.
Aber wir haben deutlichere Zeugnisse für die philosophische
Part ei Stellung unseres Theologen. Johannes Wenck hinterließ bei
seinem Tode ein Haus mit Hof und Grundstück als Anwesen der
sogenannten Prediger- oder ,,Realisten“burse. Die Statuten dieser
Rurse wurden 1486 vom Testamentsvollstrecker des „Meisters
Hans Wenck“, dem Heidelberger Prediger und Theologie-Professor
Jodocus Aichman von Kalw, einem der Begründer und hervor-
ragendsten Vertreter der via antiqua in Heidelberg, aufgesetzt3.
Danach diente dieses Institut der Unterbringung und Unterweisung
von Scholaren de via Realistarum und wurde der Aufsicht der
theologischen Fakultät, insbesondere eines Delegierten dieser Körper-
schaft aus der Realistenpartei unterstellt — soweit ein solcher unter
den Ordinarien zu finden sei; die Bursenmeister aber sollen auch
lessen und leren viarn antiquam, als Thorne, Alberti und die den seihen
nach schriben.
Hier haben wir also ein Bekenntnis der via antiqua über sich
selbst, wie es deutlicher nicht zu wünschen ist. Es entspricht genau
dem Eindruck, den eine handschriftlich erhaltene Quästion des
1 1. c. p. 26: U niversalizantes ob simplicitatem universalis nature, quam
ponunt in re, representant omnia essencialiter deificari in huiusmodi precisa
abstraccione, quod tarnen et divine repugnat simplicitati et composicionem realem
Deo ex creaturis inducit. — Ibid. p. 38: Et ita . . Ihesum dehonorat [Cusanus]
dolosa calliditate eum universalizans; ähnlich p. 40 oben. — p. 40, 3; Corol-
larium [Nicolai] . . . omnes homines singulariter ydemptificat, insinuans uni-
versale reale ydemptice multiplicatum, quod est erroneum, cum soli nature divine
conveniat in ydemptitate nature se multiplicare supposilaliter seu personaliter.
2 Die Beschäftigung Wencks mit den Dionysischen Schriften ist schon
1434 bezeugt (s. o. S. 52 N. 1; der Versuch Vansteenberghes (p. 5), zwischen
der Ignota litteratura (undatiert, doch nach 1440) und dem Kommentar
z. Dionysius (1455) eine Sinnesänderung anzunehmen, ist also schlecht be-
gründet, m. E. aber auch unnötig. Mit humanistischen Gegnern, wie V. p. 6
meint, kämpft W. in den oben S. 52, N. 4 zitierten Sätzen ganz gewiß nicht.
Vielmehr stand er selbst dem Humanismus nahe (s. u. S. 67f.).
3 Statutorum burse Realium über, Univ. arch. I, 3, 38, insbes. f. 9v.
 
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