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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0083
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Studien zur Spätscholastik. II.

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uns das Material bereits großenteils zur Verfügung. Soviel ist jetzt
schon deutlich und Prantl zuzugeben, daß die Okkamisten mit
einer gewissen Vorliebe die proprietates terminorum, also die im An-
schluß an den 7. Traktat des Petrus Hispanus betriebenen Teile der
Logik, in ihren Schriften behandeln. Von Gerson bis zu jener
Heidelberger Verteidigungsschrift der Modernen von 1499 rühmen
sie das als ihre besondere Domäne1. Eine ganz andere Frage ist,
ob sie über dieser Liebhaberei die „realen“ Teile der Logik (Kate-
gorien und Universalien) und die Sachwissenschaften zu kurz kom-
men lassen, wie mittelalterliche Gegner und moderne Geschichts-
darsteller ihnen nachsagen. Wie energisch sie selbst derartige Vor-
würfe von sich weisen, hörten wir schon; selbst den Namen nomi-
nales möchten sie vermieden sehen, um nur ja nicht den Eindruck
zu erwecken, als ob ihr Verhältnis zur Metaphysik weniger eng
wäre, als das ihrer Gegner. Wie steht es aber praktisch mit ihrer
Pflege der „realen“ Wissenschaften?
Die Frage ist schon mehrfach von uns angerührt, bedarf aber
noch der zusammenfassenden Erörterung und endgültigen Klärung.
Die Behauptung Hermelinks (und in beschränkterem Sinne
Prantls), den „Modernen“ habe es an Interesse für die natur-
wissenschaftlichen Teile der aristotelischen Lehre gefehlt, bedarf
für uns kaum noch der Widerlegung. Die große Generation der
Pariser Okkamistenschule des 14. Jahrhunderts, deren naturwissen-
schaftliche Studien Duhem schildert, ist zwar — wie uns die Unter-
suchung der Physik des Marsilius zeigte2 — im ganzen über die
peripatetischen Vorstellungen nicht allzu weit hinausgekommen, be-
deutet aber doch den Höhepunkt naturwissenschaftlicher Forscher-
leistungen auf den Universitäten für mehr als ein Jahrhundert. Die
spätere Schulliteratur zeigt demgegenüber zweifellos einen Verfall3.
Aber dieser Verfall erstreckt sich in mindestens derselben Aus-
dehnung auf die Literatur der via antiqua wie auf die ihrer Gegen-
partei. Man kann deutlich beobachten, wie in physikalischen Fragen
die antiqui wichtige Entdeckungen der Pariser Nominalisten ohne
weiteres als Gemeingut der Spätscholastik übernehmen und wie
sie an anderen Stellen, wo sie ihren älteren Vorbildern getreulich
folgen, jenen Neuentdeckungen gegenüber rückständig werden. Die
Darstellung der Fallgesetze bei den Skotisten Petrus Tartaretus
und Nik. Dorbellus und bei dem Thomisten Joh. Versor wirkt
1 Vgl. oben S. 76. 2 Studie I, p. 68ff. 3 Das zeigt auch Duhem mehr-
fach, so Et. sur Leonard da Vinci III, 97ff161 ff. u. ö.
 
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