Studien zur Spätscholastik. II.
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müheloser haben: in Prantls 3. und 4. Bande ist darüber ausführ-
lich gehandelt. Wie aber in aller Welt ist Hermelink auf den
unglücklichen Einfall gekommen — das ist sein dritter Beweis —,
daß nur die antiqui ,,die sprachliche Bezeichnung (significatio)
eines Dings scharf von der logischen Supposition für dasselbe ge-
trennt“ und so die ,,Bahn frei gemacht hätten für die Entwicklung
der ,positiven4 praktischen Grammatik“ ? Bei Prantl hätte er
finden können, daß der Okkamist Buridan die Trennung von
significatio und suppositio gleich an den Anfang seines Kommen-
tars zu den parva logicalia gestellt hat1, daß gerade ein Teil der
Modernen, voran Peter d’Ailly2, dazu gelangt ist, im Gegensatz
zu den Skotisten die ganze Lehre von den modi significandi als
überflüssig und verwirrend zu bekämpfen, für die Logik allein den
„mentalen Begriff“, d. h. das Denken selber, nicht seinen Sprach-
ausdruck, als maßgebend zu betrachten und die Sprache nur als
ein Mittel gegenseitiger Mitteilung der Menschen untereinander ohne
unmittelbare logische Bedeutung anzusehen.
Nein, es war kein glücklicher Gedanke, gerade der via antiqua
Verdienste um die Reinigung der Grammatik von logischem Ballast
zuzuschreiben. An kaum einem andern Punkte zeigt sich die Steri-
lität dieser Reformbewegung so deutlich, wie gerade an diesem.
Sicherlich wären diese Verehrer des Duns Skotus wenig erbaut ge-
wesen von dem Lobe, das ihnen Hermelink erteilen möchte: daß
sie von den modi significandi ihres Meisters nichts hätten wissen
wollen. Aber auch in den Augen der Humanisten steckt der gram-
matische Betrieb beider Schulen in genau derselben Verdammnis.
Wenigstens ist mir noch kein Urteil eines Humanisten vor Augen
gekommen, das die grammatischen Theorien der antiqui gelobt
hätte im Gegensatz zu denen der Okkamisten3. Wer da will, kann
bei Wimpfeling im Isidoneus nachlesen, wie der herkömmliche
Betrieb der Grammatik aussah in beiden Schulen; er wird
sich dann rasch überzeugen, daß die Humanisten hier wirklich
etwas Neues wollten, das auf einem anderen Boden gewachsen war,
als auf dem der Scholastik. Auch die moderni wissen nichts davon,
daß sich ihr grammatischer Unterricht in irgendeiner Weise von
dem ihrer Gegner unterscheiden soll. „Haben wir nicht beide den
1 IV, 25. Mestwerdt 106 u. 162 ist Hermelink in dieser Frage (nur in
dieser!) gutgläubig gefolgt. 2 Ibid. 106ff. 3 Dagegen vgl. das Verdam-
mungsurteil des Thomas Morus über die Grammatik des Albertus Magnus,
z. T. bei Mestwerdt, p. 331, N. 3.
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müheloser haben: in Prantls 3. und 4. Bande ist darüber ausführ-
lich gehandelt. Wie aber in aller Welt ist Hermelink auf den
unglücklichen Einfall gekommen — das ist sein dritter Beweis —,
daß nur die antiqui ,,die sprachliche Bezeichnung (significatio)
eines Dings scharf von der logischen Supposition für dasselbe ge-
trennt“ und so die ,,Bahn frei gemacht hätten für die Entwicklung
der ,positiven4 praktischen Grammatik“ ? Bei Prantl hätte er
finden können, daß der Okkamist Buridan die Trennung von
significatio und suppositio gleich an den Anfang seines Kommen-
tars zu den parva logicalia gestellt hat1, daß gerade ein Teil der
Modernen, voran Peter d’Ailly2, dazu gelangt ist, im Gegensatz
zu den Skotisten die ganze Lehre von den modi significandi als
überflüssig und verwirrend zu bekämpfen, für die Logik allein den
„mentalen Begriff“, d. h. das Denken selber, nicht seinen Sprach-
ausdruck, als maßgebend zu betrachten und die Sprache nur als
ein Mittel gegenseitiger Mitteilung der Menschen untereinander ohne
unmittelbare logische Bedeutung anzusehen.
Nein, es war kein glücklicher Gedanke, gerade der via antiqua
Verdienste um die Reinigung der Grammatik von logischem Ballast
zuzuschreiben. An kaum einem andern Punkte zeigt sich die Steri-
lität dieser Reformbewegung so deutlich, wie gerade an diesem.
Sicherlich wären diese Verehrer des Duns Skotus wenig erbaut ge-
wesen von dem Lobe, das ihnen Hermelink erteilen möchte: daß
sie von den modi significandi ihres Meisters nichts hätten wissen
wollen. Aber auch in den Augen der Humanisten steckt der gram-
matische Betrieb beider Schulen in genau derselben Verdammnis.
Wenigstens ist mir noch kein Urteil eines Humanisten vor Augen
gekommen, das die grammatischen Theorien der antiqui gelobt
hätte im Gegensatz zu denen der Okkamisten3. Wer da will, kann
bei Wimpfeling im Isidoneus nachlesen, wie der herkömmliche
Betrieb der Grammatik aussah in beiden Schulen; er wird
sich dann rasch überzeugen, daß die Humanisten hier wirklich
etwas Neues wollten, das auf einem anderen Boden gewachsen war,
als auf dem der Scholastik. Auch die moderni wissen nichts davon,
daß sich ihr grammatischer Unterricht in irgendeiner Weise von
dem ihrer Gegner unterscheiden soll. „Haben wir nicht beide den
1 IV, 25. Mestwerdt 106 u. 162 ist Hermelink in dieser Frage (nur in
dieser!) gutgläubig gefolgt. 2 Ibid. 106ff. 3 Dagegen vgl. das Verdam-
mungsurteil des Thomas Morus über die Grammatik des Albertus Magnus,
z. T. bei Mestwerdt, p. 331, N. 3.