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Boll, Franz; Bezold, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 1. Abhandlung): Carl Bezold: Nachruf, im Namen der philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg, gesprochen bei der Beisetzung am 23.11.22 — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38042#0015
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Carl Bezold.

seine philologische Beschäftigung erweitert zu dem Versuch eines
Gesamtbildes semitischer Kultur, wie er es für weitere Kreise zwei-
mal zu zeichnen unternommen hat: in seinem Beitrag zur Ullstein-
Weltgeschichte, der den Titel führt ,,Die Kulturwelt des alten
Orients“ und in dem unmittelbar aus den Quellen geschöpften Buch
„Ninive und Babylon“, das mehrere Auflagen erlebte. In beiden
Büchern, wie auch in zahlreichen populären Vorträgen hat er seine
geschickte Art bewährt, in kürzester Form eine erstaunliche Fülle
von Tatsachen vor dem Leser auszubreiten und das Interesse an
jener fernen Kulturwelt des Ostens zu wecken. Nur muß man
nicht glauben, daß ihm die Popularisierung seiner Wissenschaft von
wesentlicher Bedeutung gewesen sei: er schränkte die Zeit dafür
bewußt ein und war überzeugt, für den Gelehrten müsse immer
gegenüber der Darstellung für weitere Kreise die vorwärtsdringende
eigene Forschung in erster Linie stehen. Er war ein Vertreter der
Art von Philologie, die ihr rechtes Symbol im Goldschmied von
Ephesus bei Goethe erkennt, der seinen Knaben auf den Markt
den Lauf läßt und still in der Werkstatt bleibt: „feilt immerfort
an Hirschen und Tieren, die seiner Gottheit Kniee zieren, und hofft,
es könne das Glück ihm walten, ihr Antlitz würdig zu gestalten.“
Viel Adel, viel stille Schönheit und Würde müßte aus der Welt
verschwinden, wenn das neue Barbarentum wirklich diese Art von
Lebensideal und Lebensführung zu zerstören vermöchte.
Non omnia possumus omnes. Im Kriege hat Bezold, wie immer
von seiner Frau treulich unterstützt, mehr als ein Jahr im Dienste
des Roten Kreuzes einer sachlichen, zeitraubenden und wenig
lockenden, aber notwendigen Aufgabe geopfert; als seine Hilfe
dafür nicht mehr erforderlich schien, kehrte er zu seinen geliebten
Büchern zurück — da glaubte er zuletzt doch wichtigeres und dauer-
hafteres auch für das Vaterland leisten zu können. Der Politik
war sein ganzes Wesen abgeneigt — die Anlage dazu war ihm
nicht gegeben, und er liebte es nicht, fruchtlos seine Kraft zu ver-
zetteln. Eine kurze Ansprache, die er als Prorektor der Universität
1917 im Schloßhof zu halten hatte, ist wohl das einzige gewesen,
was er je zur Politik des Tages mündlich oder schriftlich geäußert hat.
Wenn Bezold vor allem als Linguist gelten wollte, so war die
Weite und Allseitigkeit seines Interesses an den semitischen Spra-
chen für ihn bezeichnend. Es wird nicht viel Orientalisten in
Deutschland gegeben haben, die in ihrer Lehrtätigkeit sich so
gleichmäßig auf sie alle einließen. Er hat es auch darin immer sehr
 
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