Zur Gründungsgeschichte der Universität Neapel.
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nämlich die Absender fort: ,,Aber über dies alles hinaus gebt der
Schmerz, der uns daraus erwächst, daß Omniabona, deren Geschwüre
ausgetrocknet waren (cuius ulcera desiccata erant) sich als wahre
Prophetin erwiesen hat, als sie gegen das Neapolitaner Studium
prophetisch verkündete, dasselbe sei nur ein Embryo (oder „bloßer
Entwurf“, conceptum) und etwas leicht Zerstörbares (et destnictibile)
das nicht entstehen (zur Reife, zum Ergebnis kommen) könne (quod
fieri non posset), wenn der Wille des Bildners, der über Bindung
erhaben ist, unveränderlich verharren würde (si voluntas opificis,
que maior est nexu, impermntabilis permaneret).
Am verständlichsten ist noch der Inhalt der Prophezeiung
selbst, wenn wir in den letzten Bedingungssatz eine Verneinung
einfügen, also etwa nisi statt si zu lesen uns erlauben. Die Stiftung
einer Universität durch einen Fürsten war in dem damaligen Italien
etwas völlig Ungewohntes. Da konnte schon jemand auftreten und
sprechen: „Das wird keinen guten Ausgang nehmen! Denn hier
leistet keine Körperschaft mit sicherer Tradition und Interessen-
gemeinschaft für die Dauer Gewähr, wie Kirche oder Stadtbehörde,
sondern ein sterblicher Herrscher mit wechselnden Launen macht
die Zusagen. Wer will ihn verpflichten, sie zu erfüllen, wenn er
nicht mehr mag ? Die freie Gewährung ist an bindenden Zwang
nicht gebunden!“ Und hier scheint jener Unheilsprophetin eine
Digestenstelle aus dem Codex iuris civilis (1. 17 § 3 D. 13, 6) vor-
geschwebt zu haben, in der es etwa heißt: „Wie es aber mehr eine
Sache des guten Willens und der Gefälligkeit ist, etwas zu ver-
leihen, so steht es dem, der die Vergünstigung gewährt zu, Maß
und Ende des Verliehenen vorzuschreiben1.“ Jene Person scheint
also rechtskundig gewesen zu sein; vielleicht hatte sie auch ein
Interesse daran, daß die Neapeler Universität nicht zur Blüte ge-
diehe, denn was man wünscht, glaubt und verkündet man gern!
Und daß die neapolitanischen Magister die Erfüllung dieser Prophe-
zeiung mehr als alles andere schmerzen würde, läßt auf Rivalität
schließen, die ja für die damaligen Italiener im Vordergründe aller
andern Gegensätze stand.
Damit haben wir uns Bahn gebrochen für eine Emendation
des offenbar verderbten Textes. Ein Abschreiber, dem die Voran-
setzung des omnia natürlicher erschien, hat eine Umstellung vor-
genommen, was auch der geläufige Personenname Omnebonum -
Ognibene nahelegte. Aber das Wortbild borioia, wie es im Original
1 Vgl. den lateinischen Wortlaut unten bei der Textwiedergabe.
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nämlich die Absender fort: ,,Aber über dies alles hinaus gebt der
Schmerz, der uns daraus erwächst, daß Omniabona, deren Geschwüre
ausgetrocknet waren (cuius ulcera desiccata erant) sich als wahre
Prophetin erwiesen hat, als sie gegen das Neapolitaner Studium
prophetisch verkündete, dasselbe sei nur ein Embryo (oder „bloßer
Entwurf“, conceptum) und etwas leicht Zerstörbares (et destnictibile)
das nicht entstehen (zur Reife, zum Ergebnis kommen) könne (quod
fieri non posset), wenn der Wille des Bildners, der über Bindung
erhaben ist, unveränderlich verharren würde (si voluntas opificis,
que maior est nexu, impermntabilis permaneret).
Am verständlichsten ist noch der Inhalt der Prophezeiung
selbst, wenn wir in den letzten Bedingungssatz eine Verneinung
einfügen, also etwa nisi statt si zu lesen uns erlauben. Die Stiftung
einer Universität durch einen Fürsten war in dem damaligen Italien
etwas völlig Ungewohntes. Da konnte schon jemand auftreten und
sprechen: „Das wird keinen guten Ausgang nehmen! Denn hier
leistet keine Körperschaft mit sicherer Tradition und Interessen-
gemeinschaft für die Dauer Gewähr, wie Kirche oder Stadtbehörde,
sondern ein sterblicher Herrscher mit wechselnden Launen macht
die Zusagen. Wer will ihn verpflichten, sie zu erfüllen, wenn er
nicht mehr mag ? Die freie Gewährung ist an bindenden Zwang
nicht gebunden!“ Und hier scheint jener Unheilsprophetin eine
Digestenstelle aus dem Codex iuris civilis (1. 17 § 3 D. 13, 6) vor-
geschwebt zu haben, in der es etwa heißt: „Wie es aber mehr eine
Sache des guten Willens und der Gefälligkeit ist, etwas zu ver-
leihen, so steht es dem, der die Vergünstigung gewährt zu, Maß
und Ende des Verliehenen vorzuschreiben1.“ Jene Person scheint
also rechtskundig gewesen zu sein; vielleicht hatte sie auch ein
Interesse daran, daß die Neapeler Universität nicht zur Blüte ge-
diehe, denn was man wünscht, glaubt und verkündet man gern!
Und daß die neapolitanischen Magister die Erfüllung dieser Prophe-
zeiung mehr als alles andere schmerzen würde, läßt auf Rivalität
schließen, die ja für die damaligen Italiener im Vordergründe aller
andern Gegensätze stand.
Damit haben wir uns Bahn gebrochen für eine Emendation
des offenbar verderbten Textes. Ein Abschreiber, dem die Voran-
setzung des omnia natürlicher erschien, hat eine Umstellung vor-
genommen, was auch der geläufige Personenname Omnebonum -
Ognibene nahelegte. Aber das Wortbild borioia, wie es im Original
1 Vgl. den lateinischen Wortlaut unten bei der Textwiedergabe.