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Reitzenstein, Richard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 2. Abhandlung): Die griechische Tefnutlegende — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38043#0024
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R. Reitzenstein:

Bruchstück B (fr. 6). Vielleicht aus der Erzählung vom
Löwen und der Maus, die ersteren sein1 wohl ώ βασιλεύ an-
reden könnte, vgl. Dem. XVIII, 14 „mein Herr Löwe“. Doch
wäre auch eine Anrufung des Götterkönigs denkbar.
Bruchstück C (fr. 7). Da der „Seh-Vogel“ (bei dem Griechen
'Όρασις) Dem. XIII, 25 Weih [nr „männlicher Geier“) genannt
sein kann und die Gans wegen ihrer Wachsamkeit vielleicht
den „Hör-Vogel“ bezeichnen könnte, und da die Erwähnung
von Nacken und Seiten im Eingang in die Beschreibung der
Erscheinung der Göttin passen würde, könnte man versucht
sein, das Bruchstück zwischen Kol. V und VI unserer Zählung
als neue Kolumne einzuordnen. Aber die demotische Er-
zählung weicht zu weit ab, und aus den dürftigen grie-
chischen Resten läßt sich Sinn und Zusammenhang nicht mehr
gewinnen. Da auch in dem demotischen Text Anfang und
Schluß des Buches fehlen, liegt die Annahme, daß eine dort
verlorene Fabel hier erhalten ist, nä-her.
Der Fund bietet uns zum erstenmal die griechische Über-
setzung eines literarischen ägyptischen Textes, der uns noch er-
halten ist. Daß sie für die demotischen Studien höchste Bedeutung
gewinnen muß, zeigen schon die Proben aus den korrigierten und
den unkorrigierten Texten Spiegelbergs, dessen Arbeit hier eine
wundervolle Rechtfertigung findet. Aber auch für die Kenntnis
der hellenistischen Literatur scheint sie mir wichtig. Gewiß, nur
auf dem Gebiet der religiösen Literatur durften wir eine solche
Übersetzung erwarten; vergleichbar ist das sogenannte Töpferorakel
(Reitzenstein, Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften,
Göttingen 1904, S. 314 mit der charakteristischen Überschrift
Απολογία κεραμεως προς Άμενώπιν βασιλέα μεθηρμενευμένη κατά τό
δυνατόν) sowie die Zauberpapyri und die Hermetischen Schriften,
deren Übersetzungsart der Papyrus Oxyrb. 1381 neuerdings so
schlagend erläutert hat. Aber wir müssen den Begriff religiös
hier noch weiter als in den genannten Beispielen fassen. Aller-
dings liegt ein Mythos zugrunde, ein Mythos von der Heimkehr
einer Sonnengottheit, hier der Tochter des Sonnengottes, nach winter-
licher Abwesenheit, wie er ähnlich b.ei vielen Völkern nachzu-
weisen ist; aber nicht als M3TI10S ist der Stoff behandelt. Dann
hätte die Überwindung der Hindernisse und der Jubel bei der
Ankunft den Hauptinhalt bilden müssen, wie etwa in der aus-
gebildeten Kunst in dem Apollo-Hymnos des Alkajos (fr. 2 B4),
 
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