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Curtius, Ludwig; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1923, 4. Abhandlung): Der Astragal des Sotades — Heidelberg, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.38045#0008
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L. Curtius:

teten Stück, wie dem Werk des Sotades, ist von der Voraus-
setzung auszugehen, daß die Figur sich selbst erklärt. Bleibt sie uns
unklar, so haben wir sie noch nicht genug verstanden.
Indes, unser Gott erklärt sich deutlich genug. Die untersetzte
Figur, der Kopf auf kurzem Halse, mit dem muskulösen Bauch,
mit nacktem Oberkörper, der Unterkörper nur mit einem rasch
zusammengesteckten Gewand bekleidet, das kann nur Hephaest
sein. Statt vieler, leicht beizubringender Belege der Handwerker-
tracht, verweisen wir nur auf das Bild einer nolanischen Amphora
in Boston, die früher, aus der Nekropole von Suessula stammend,
im Besitz von Spinelli (Röm. Mitt. II 1887 S. 242 Fig. 15) sich
jetzt in Boston befindet (J. H. S. NXXIII 1913 Taf. XI, darnach
unsere Taf. II, 3), und von Beazley a. a. 0. S. 109 seinem Meister
der Dutuit Oinochoe zugeschrieben wird. Hier steht Hephaest vor
Thetis und reinigt offenbar mit einem Schwamm vom Staub der
Werkstatt den Schild, den Thetis mit clen übrigen Teilen der Rü-
stung zum Trost des geliebten Sohnes bei ihm bestellt hatte. Auch
hier erscheint er deutlich mit ungepflegtem Haar und Bart und der
Pelzmütze κεκασμένος έργο πόνος, wie ihn der Dichter der Episode
Ilias XVIII 308 ff. geschaffen hatte.
Aber auch ein zweiter, zum Bilde des Gottes gehöriger Zug ist
vom Maler ebenso fein wie deutlich gegeben: er ist είλίπους. Zwar
läßt sich der Nachweis führen, daß die Wiedergabe der verkrüppel-
ten Beine in den bildlichen Darstellungen sich mit der Entwicklung
aus dem Archaischen heraus immer mehr abschwächt und im großen
Stil des 5. Jahrhunderts ganz aufhört (siehe die Bearbeitung der
Hephaistos-Mythologie nach der grundlegenden Darstellung von
Wilamowitz in Goett. Nadir, phil.-hist. Kl. 1895 S. 217ff. bei
Malten, Jährb. d. Inst. XXVII, 1912 S. 232ff. und Pauly-
Wissowa, Real-Enc. Hephaistos, Sp. 333ff.). Allein Sotades hat
sich das Motiv der Sage zur launigen Charakteristik seines Gottes
nicht entgehen lassen. Dieser steht mit eifriger Geste mit etwas
gebeugtem rechtem Knie, zieht den'linken Fuß leicht schleppend
nach, so daß sich an der lahmen Seite das Schurzgewand verschiebt
und mit einem Zipfel herunterhängt.
Ist nun die kleine erregte Figur als Hephaest entlarvt, dann
ist auch ihr Zusammenhang mit der hinter ihr wie eine Höhle
gähnenden Gefäßöffnung klar, die sich als ein deutlicher, aber bis-
her unverstandener Teil der Gesamtkomposition aufdrängt.
 
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