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Otto Immisch:
was auch für die eben erwähnte Quellenschrift anzunehmen nichts
hindert.
Was nun aber die erste der beiden Verderbnisse angeht, den
korrupten zweiten Namen der Pygmäen oder Zwerge, so scheint mir
weder seine Beseitigung richtig (auch nicht in Bueghelers Weise:
οί πυγμαίο!, καλούμενοι, δούλοι), noch seine Verbesserung zu νάνοι
einleuchtend. Denn dies ist ein seit alters fast unterschiedslos neben
πυγμαίοι gebrauchtes und ganz geläufiges Wort, auf das durch Mit -
nennen die Aufmerksamkeit hinzulenken jeder Anlaß fehlte. In der
von Vahlen (nach Bonitz) für den angeblichen Unterschied an-
gezognen Stelle der aristotelischen Probleme (10, 12) erscheint
νάνοι vielmehr zunächst als der gemeinsame Name (διά τίνα αιτίαν
οί νάνοι γίνονται), während dann allerdings πυγμαίοι speziell solche
heißen, die nicht διά τροφής ενδειαν άτελεΐς sind, sondern aus Ver-
erbung oder δσοις δ τόπος αίτιος, d. i. die Enge der μήτρα (denn die
künstliche Wachstumsbehinderung kennt er nur bei Hunden, έν τοΐς
όρτυγοτροφείοις). An andern Stellen jedoch, wo die menschlichen
mit den tierischen Abnormitäten dieser Art verglichen werden,
sagt Aristoteles promiscue das eine Mal πυγμαίοι (π. ζώων γεν. II
749 a 4), ein andermal νάνοι (π. τ. ζώων ίστ. VI 577 b 25f.). Aber
selbst wenn man auf die Problemenstelle Wert legt, der Anonymus
περί υψους jedenfalls fügt den zweiten Namen überhaupt nicht
hinzu, um zu spezifizieren, sondern offenbar, um neben das erste
Wort, das ihm persönlich begreiflicherweise wegen seiner Bezie-
hungen zu Mythus, Dichtung und Kunst das vertrautere war und
als edler erschienen sein wird (wie es z. B. auch Philodem hat an
einer bekannten Stelle über die menschlichen Mißbildungen, π. σημ.
p. 4, 15 Gomp.), einen in seiner Zeit geläufig gewordnen und eben
deshalb bemerkenswert scheinenden Ausdruck zu setzen. Das war
sicher nicht das längst eingebürgerte νάνοι (von dem übrigens noch
Gellius XIX 13, 2 jeden Verdacht, als sei es barbarum et sordidum
zurückweist). Es muß sich um ein absonderliches, damals wie
gesagt erst in Mode gekommenes Wort handeln. Als solches kommt
γίννος in Betracht (oder γΐνος, nach dem Sakralgesetz von Jalysos,
Sylloge3 338, 20, neben ίππος ονος ήμίονος). Es bezeichnete von
Haus aus, worüber die vorhin angeführten Aristotelesstellen Aus-
kunft geben, einen ήμίονος ανάπηρος (καί γάρ εκ του ίππου καί τού
ονου γίνονται γίννοι, όταν νοσήση τδ κύημα έν τή υστέρα). Der γίννος muß
aber mit den menschlichen Zwerggeburten nicht nur verglichen
worden sein, er wurde in der Kaiserzeit geradezu ein Name für sie,
Otto Immisch:
was auch für die eben erwähnte Quellenschrift anzunehmen nichts
hindert.
Was nun aber die erste der beiden Verderbnisse angeht, den
korrupten zweiten Namen der Pygmäen oder Zwerge, so scheint mir
weder seine Beseitigung richtig (auch nicht in Bueghelers Weise:
οί πυγμαίο!, καλούμενοι, δούλοι), noch seine Verbesserung zu νάνοι
einleuchtend. Denn dies ist ein seit alters fast unterschiedslos neben
πυγμαίοι gebrauchtes und ganz geläufiges Wort, auf das durch Mit -
nennen die Aufmerksamkeit hinzulenken jeder Anlaß fehlte. In der
von Vahlen (nach Bonitz) für den angeblichen Unterschied an-
gezognen Stelle der aristotelischen Probleme (10, 12) erscheint
νάνοι vielmehr zunächst als der gemeinsame Name (διά τίνα αιτίαν
οί νάνοι γίνονται), während dann allerdings πυγμαίοι speziell solche
heißen, die nicht διά τροφής ενδειαν άτελεΐς sind, sondern aus Ver-
erbung oder δσοις δ τόπος αίτιος, d. i. die Enge der μήτρα (denn die
künstliche Wachstumsbehinderung kennt er nur bei Hunden, έν τοΐς
όρτυγοτροφείοις). An andern Stellen jedoch, wo die menschlichen
mit den tierischen Abnormitäten dieser Art verglichen werden,
sagt Aristoteles promiscue das eine Mal πυγμαίοι (π. ζώων γεν. II
749 a 4), ein andermal νάνοι (π. τ. ζώων ίστ. VI 577 b 25f.). Aber
selbst wenn man auf die Problemenstelle Wert legt, der Anonymus
περί υψους jedenfalls fügt den zweiten Namen überhaupt nicht
hinzu, um zu spezifizieren, sondern offenbar, um neben das erste
Wort, das ihm persönlich begreiflicherweise wegen seiner Bezie-
hungen zu Mythus, Dichtung und Kunst das vertrautere war und
als edler erschienen sein wird (wie es z. B. auch Philodem hat an
einer bekannten Stelle über die menschlichen Mißbildungen, π. σημ.
p. 4, 15 Gomp.), einen in seiner Zeit geläufig gewordnen und eben
deshalb bemerkenswert scheinenden Ausdruck zu setzen. Das war
sicher nicht das längst eingebürgerte νάνοι (von dem übrigens noch
Gellius XIX 13, 2 jeden Verdacht, als sei es barbarum et sordidum
zurückweist). Es muß sich um ein absonderliches, damals wie
gesagt erst in Mode gekommenes Wort handeln. Als solches kommt
γίννος in Betracht (oder γΐνος, nach dem Sakralgesetz von Jalysos,
Sylloge3 338, 20, neben ίππος ονος ήμίονος). Es bezeichnete von
Haus aus, worüber die vorhin angeführten Aristotelesstellen Aus-
kunft geben, einen ήμίονος ανάπηρος (καί γάρ εκ του ίππου καί τού
ονου γίνονται γίννοι, όταν νοσήση τδ κύημα έν τή υστέρα). Der γίννος muß
aber mit den menschlichen Zwerggeburten nicht nur verglichen
worden sein, er wurde in der Kaiserzeit geradezu ein Name für sie,