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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 2. Abhandlung): Bemerkungen zur Schrift vom Erhabnen — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38944#0031
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Bemerkungen zur Schrift vom Erhabnen.

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wie ich denke, weil auch das lautlich naheliegende Ι'ννος (lat. inu-
leus) diesen Weg gegangen war (Hesyeh v. Ι'ννους und I'vvtjv). Ein
ganz sichrer Zeuge, wenn man ihn nur richtig interpretiert, ist
Martial VI 71, 7, wo der lächerliche Kontrast zwischen Riese und
Zwerg im Hinblick auf eine Zirkusschaustellung folgendermaßen
ausgedrückt wird:
non aliter monstratur Atlans cum compare ginno
quaeque vehit similem belua nigra Libyn.
Hier bietet die dritte Handschriftenfamilie (T hat nur 1—6)
die offne Korruptel gybbo oder gibbo. Daß aber Scriverius mit ginno
das rechte traf, beweist die zweite Klasse, die mit mulo nur eben
die (mißverstehende) Glosse zu gerade diesem Wort darbietet. Frei-
lich deutet ginno auch noch Fried Länder so: ein Riese mit einem
lächerlichen Zwerg von Maultier. Aber der natürliche Gegensatz
ist vielmehr: ein menschlicher Riese gepaart mit einem mensch-
lichen Zwerg. Darauf führt unbedingt, daß der ginnus als compar des
Atlas bezeichnet wird, was auf ein Reittier nicht paßt. Auf die
gleichen Gegensätze innerhalb der menschlichen Gestaltenwelt
selbst gehen die scherzhaften Konträrnamen bei Juvenal 8, 32:
nanum Atlanta vocamus, Aethiopem cycnum etc., was manche Er-
klärer zu der grotesken Deutung verführt hat, den Zwerg nun grade
im Atlas des Martial zu sehen. Unsre Erklärung hingegen bestätigt
zu guter Letzt auch der Pentameter, der sachlich durch Seneca
erläutert wird (ep. 85, 41): elephantem minimus Aethiops iubet sub-
sidere in genua etc. Man könnte freilich meinen: hier ist ja ein Riesen-
tier und ein menschlicher Zwerg, also wird sichs im Hexameter doch
wohl umgekehrt um ein Zwergtier und einen menschlichen Riesen
handeln. Dem widerspricht aber similem. Wenn man dies näm-
lich auf nigra bezieht (ebenso schwarz wie der Elephant), so wäre
Martial gegen seine Art höchst ungeschickt verfahren. Wenn ich
den Gegensatz groß-klein herausarbeiten will und es mir gerade
auf diesen Gegensatz als Gegensatz ankommt, so ist es widersinnig,
die Aufmerksamkeit davon abzulenken und auf eine in andrer Hin-
sicht (in der Farbe) daneben vorhandene Ähnlichkeit hinzu-
weisen, was doch jedesfalls die Empfindung der Gegensätzlichkeit
abschwächt. Also bezieht sich similem vielmehr rückwärts auf
ginno und verstärkt somit die Kleinheit des Negerleins, das
„ebenso ein ginnus“ ist wie der Zwerg im Hexameter. Womit
denn dargetan ist, daß ginno dort wirklich den menschlichen
Zwerg und keinen Zwergmaulesel bedeutet.
 
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