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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1924/25, 2. Abhandlung): Bemerkungen zur Schrift vom Erhabnen — Heidelberg, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.38944#0032
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32

Otto Immisch:

Einen Wortgeb rauch, der für Martials Zeit erwiesen ist, dürfen
wir unbedenklich auch dem Verfasser περί ύψους zu schreiben, der
also, wie ich annehme, schrieb: καλούμενοι δε γίννοι. Indem das
jemand glossieren wollte, schrieb er wohl νά über den Wortanfang
γίνν, womit er νάννοι meinte (d. h. νάνοι oder νάνοι). Der Abschrei-
ber sah darin eine Doppellesart, wählte die Zusatzlesung und glaubte
sie mit seinem νάοι mechanisch richtig wiedergegeben zu haben.
Noch einiges nicht unmittelbar Hierhergehörige über das Sach-
liche. Wir bemerkten vorhin, Aristoteles wisse noch nichts von
gewaltsamen Verzweigungen. Auch Plinius VII 75 geht nicht
auf dieses grausame Verfahren, wie unlängst Phxlippson meinte
(Philol. Woch. 1923, 100). Ipsi vidimus in loc.ulis asseraatos ist nach
dem Zusammenhang bei Plinius (ebenso wie vorher seine Worte
über Riesen) vom Begräbnisplatz der beiden zwerghaften equites
Romani zu verstehen. Dagegen scheint die Sache in einer unserm
Verfasser zeitlich und sachlich naheliegenden Sphäre vorausgesetzt
von Cassius Severus in seiner Behandlung der kulturgeschichtlich
höchst merkwürdigen Deklamation 10, 4 (33) bei Seneca: quidam
expositos debilitabat et debilitatos mendicare cogebat ac mercedem exi-
gebat ab eis. Da kommt §2 unter den verschiednen Mißhandlungen
und Verkrüppelungen auch das distorquere vor und weiterhin:
alterius diminutas scapulas in deforme tuber extundit et risum e
crudelitate captat. Kaum anders möglich, als daß. ein solches
Scheusal in seiner humanarum calamitatium officina auch jenes
γλωττόκομον anwandte. Vielleicht gehört — obgleich der Rhetor
weiterhin das Gliederzerbrechen einmischt, in einer für die Un-
anschaulichkeit dieser hohlen Pathetik bezeichnenden Weise -
das folgende ganz besonders hierher: huic recta membra sunt et,
si nemo moratur, proceritas emicabit: ita frangantur, ut humo se
adlevare non possit etc. (si nemo moratur H. J. Müller: si nemo
naturae, sine mora naturae, si nemo obstat naturae die Hsr.: viel-
leicht auch mit Kiessling: si nemo moratur naturae).
Da uns der Exkurs einmal auf dieses Deklamationsthema ge-
führt hat, so sei im Vorbeigehen noch auf einen sachlich beachtens-
werten Zug hingewiesen, der aus den Reden angeführt wird, die
zugunsten des Scheusals deklamiert wurden und der kultur-
geschichtlich nicht ohne ein gewisses Interesse ist. „Warum“, fragt
Labienus § 17, „kümmert Ihr Euch um das, was mit den aus-
gesetzten Kindern geschieht, wo soviele andre Grausamkeit gedan-
kenlos geduldete Sitte ist?“ Das war der τόπος; vgl. Latro § 11 ff.
 
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