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Hermann Ranke.
Die Darstellung der durch die Zusammensetzung der drei
Stücke wieder neu hergestellten Schieferplatte (Tafel 1) zeigte,
um eine in der Mitte angebrachte kreisrunde Vertiefung* 1 angeord-
net, eine Löwenjagd: Zwei Reihen bärtiger Männer, die der einen
mit einer, die der anderen mit zwei Straußenfedern im Haar, mit
kurzem, senkrecht gestreiftem Schurz um die Lenden und mit
Bogen und Pfeilen, Lanzen und Doppeläxten, Keulen und Krumm-
hölzern bewaffnet-, einige von ihnen auch mit eigentümlichen
Standarten versehen, waren auf die Jagd gegen zwei Löwen aus-
gezogen, von denen der eine, von zahlreichen Pfeilen durchbohrt,
schon kampfunfähig gemacht war, während der andere, eine Löwin
oder ein Junges verteidigend, noch mit voller Kraft seinen Ver-
folger angriff. Andere Jäger hatten gleichzeitig mit dem Lasso
Antilopen nachgestellt; eine Antilope war schon durch einen
geschickten Wurf am Gehörn gepackt worden, während andere
Antilopen, ein Strauß, ein Hirsch und ein Hase, von spitzohrigen
und spitzschnauzigen langgeschwänzten Hunden auf gescheucht,
zwischen den Reihen der Jäger dahinstürmten.
Steindorff konnte schon damals eine Anzahl mit Reliefs
versehener Schieferbruchstücke —freilich sämtlich aus dem antiken
Handel stammend und daher unsicherer Herkunft — zum Ver-
gleich mit dieser Palette heranziehen, und diese sind in den fol-
genden Jahren um eine Anzahl weiterer Stücke vermehrt worden.
Entscheidend für die Richtigkeit von Steindorffs Zuweisung aller
dieser Stücke zur ältesten ägyptischen Kunst aber waren erst die
Funde, die Quibell und Green in den Ruinen des Horustempels
von Hierakonpolis, deruralten Hauptstadt Ober-Ägyptens,machten.
Hier wurden zwei unversehrte Paletten mit Reliefdarstellungen
gefunden, die sich von denen der Löwenjagdpalette und der ihnen
Schiefer,,paletten“. Die mit Reliefs versehenen „Prunkpaletten“, zu denen
die Löwenjagd-Tafel gehört, scheinen -— zum Teil zur Erinnerung an beson-
dere Ereignisse — in einen Tempel geweiht worden zu sein und mögen dort
kultischen Zwecken, etwa dem Schminken des Götterbildes oder der Op'fer-
tiere (vgl. Borchardt, Sahure' II, Blatt 47 und S.56L) gedient haben.
1 Diese Vertiefung mag die Schminke aufgenommen haben, doch muß
betont werden, daß die in der vorigen Anmerkung gegebene Erklärung des
Gebrauchs der Relief-Paletten nur auf einer Vermutung beruht, da Reste
von Farbe (wie die Schminkpaletten der Gräber sie häufig aufweisen) in ihren
runden Vertiefungen nie beobachtet worden sind. Benedites Vermutung
(Fondation Piot, Memoires X, S. 121 f.), diese Vertiefungen seien zur Aufnahme
von Blu topfern bestimmt gewesen, kann ich mich allerdings nicht anschließen.
Hermann Ranke.
Die Darstellung der durch die Zusammensetzung der drei
Stücke wieder neu hergestellten Schieferplatte (Tafel 1) zeigte,
um eine in der Mitte angebrachte kreisrunde Vertiefung* 1 angeord-
net, eine Löwenjagd: Zwei Reihen bärtiger Männer, die der einen
mit einer, die der anderen mit zwei Straußenfedern im Haar, mit
kurzem, senkrecht gestreiftem Schurz um die Lenden und mit
Bogen und Pfeilen, Lanzen und Doppeläxten, Keulen und Krumm-
hölzern bewaffnet-, einige von ihnen auch mit eigentümlichen
Standarten versehen, waren auf die Jagd gegen zwei Löwen aus-
gezogen, von denen der eine, von zahlreichen Pfeilen durchbohrt,
schon kampfunfähig gemacht war, während der andere, eine Löwin
oder ein Junges verteidigend, noch mit voller Kraft seinen Ver-
folger angriff. Andere Jäger hatten gleichzeitig mit dem Lasso
Antilopen nachgestellt; eine Antilope war schon durch einen
geschickten Wurf am Gehörn gepackt worden, während andere
Antilopen, ein Strauß, ein Hirsch und ein Hase, von spitzohrigen
und spitzschnauzigen langgeschwänzten Hunden auf gescheucht,
zwischen den Reihen der Jäger dahinstürmten.
Steindorff konnte schon damals eine Anzahl mit Reliefs
versehener Schieferbruchstücke —freilich sämtlich aus dem antiken
Handel stammend und daher unsicherer Herkunft — zum Ver-
gleich mit dieser Palette heranziehen, und diese sind in den fol-
genden Jahren um eine Anzahl weiterer Stücke vermehrt worden.
Entscheidend für die Richtigkeit von Steindorffs Zuweisung aller
dieser Stücke zur ältesten ägyptischen Kunst aber waren erst die
Funde, die Quibell und Green in den Ruinen des Horustempels
von Hierakonpolis, deruralten Hauptstadt Ober-Ägyptens,machten.
Hier wurden zwei unversehrte Paletten mit Reliefdarstellungen
gefunden, die sich von denen der Löwenjagdpalette und der ihnen
Schiefer,,paletten“. Die mit Reliefs versehenen „Prunkpaletten“, zu denen
die Löwenjagd-Tafel gehört, scheinen -— zum Teil zur Erinnerung an beson-
dere Ereignisse — in einen Tempel geweiht worden zu sein und mögen dort
kultischen Zwecken, etwa dem Schminken des Götterbildes oder der Op'fer-
tiere (vgl. Borchardt, Sahure' II, Blatt 47 und S.56L) gedient haben.
1 Diese Vertiefung mag die Schminke aufgenommen haben, doch muß
betont werden, daß die in der vorigen Anmerkung gegebene Erklärung des
Gebrauchs der Relief-Paletten nur auf einer Vermutung beruht, da Reste
von Farbe (wie die Schminkpaletten der Gräber sie häufig aufweisen) in ihren
runden Vertiefungen nie beobachtet worden sind. Benedites Vermutung
(Fondation Piot, Memoires X, S. 121 f.), diese Vertiefungen seien zur Aufnahme
von Blu topfern bestimmt gewesen, kann ich mich allerdings nicht anschließen.