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Hermann Ranke.
Ich glaube, wir würden uns vergeblich nach irgendeinem. Merk-
mal umsehen, das als ausgesprochen oberägyptisch zu bezeichnen
wäre. Dagegen läßt sich wenigstens eines nennen, das nach Unter-
ägypten, genauer nach dem Westen Unterägyptens, weist -—- das
ist der schon erwähnte Tierschwanz1, den die Jäger am Gürtel
tragen. Wir kennen diesen Tierschwanz am Gürtel als Tracht der
libyschen Fürsten, die bekanntlich die Nachbarn der Ägypter im
Nordwesten gewesen sind, und die wiederholt selbst den nordwest-
lichen Teil des Nildeltas besessen haben. Man hat damit längst
den Tierschwanz im Ornat des ägyptischen Königs in Zusammen-
hang gebracht und die Vermutung ausgesprochen, daß dieser Teil
der ägyptischen Königstracht — vielleicht mit anderen Formen
des ägyptischen Königtums zusammen — im westlichen Delta
seinen Ursprung gehabt habe2.
Man könnte auch auf die Straußenfedern im Haar der Jäger
hinweisen, die an die gleiche Sitte bei libyschen Kriegern noch im
neuen Reiche erinnern •— aber Straußenfedern im Haar sind uns
auch bei ägyptischen und nubischen Kriegern mehrfach bezeugt.
Eher wäre hier die eigentümliche Doppelaxt zu nennen, die
einige der Jäger tragen. Sie ist uns zwar weder aus Unterägypten
noch als Waffe der Libyer bekannt, aber die Tatsache, daß sie in
Oberägypten fehlt, und daß eine —-freilich sehr anders geformte —
Doppelaxt später in Kreta auftritt, könnte dafür angeführt werden,
daß ihr Erscheinen hier eher für das aufs Mittelmeer hinschauende
Unterägypten als für Oberägypten als das Ursprungsland der Pa-
lette zu sprechen scheint.
Aber ich glaube, wir können für die Herkunft der Palette aus
Unterägypten noch einen sehr viel besseren Grund ins Feld führen.
Das sind die eigentümlichen Standarten, die drei — ursprünglich
vielleicht vier3 — von den Jägern in der Rechten halten, und in
1 Möller ZDMG. n. F. 3 [78], S. 40) will hier einen ganzen Tierbalg
(,,Wolfsbalg“) erkennen und läßt den Tierschwanz in der Königs- und Li-
byertracht der späteren Zeit als einen Rest dieser alten ,.Felltracht“ auf.
2 Vgl. Möller, a. a. O. Auch der spitze Kinnbart, bei rasierter Ober-
lippe, erinnert an die Darstellung von Libyern im m. Reich und n. Reich.
Auf die Ähnlichkeit der Jäger unserer Palette mit libyschen Kriegern in Beni-
hasan (Schurz, Haartracht, Bewaffnung) hat schon ITeuzey a. a. O. S. 150f.
hingewiesen. Freilich erkannte er diese Benihasan-Krieger damals noch nicht
als Libyer. Maspero dagegen (ebenda S.336) hat schon 1890 dem Louvre-
Bruchstück „libyschen Ursprung“ zugeschrieben.
3 Die hintere der beiden weggebrochenen Figuren an dem verletzten
Rande der Palette hat vielleicht —• nach Analogie der Darstellung am gegen-
überliegenden Rande —- auch eine „Oststandarte“ getragen.
Hermann Ranke.
Ich glaube, wir würden uns vergeblich nach irgendeinem. Merk-
mal umsehen, das als ausgesprochen oberägyptisch zu bezeichnen
wäre. Dagegen läßt sich wenigstens eines nennen, das nach Unter-
ägypten, genauer nach dem Westen Unterägyptens, weist -—- das
ist der schon erwähnte Tierschwanz1, den die Jäger am Gürtel
tragen. Wir kennen diesen Tierschwanz am Gürtel als Tracht der
libyschen Fürsten, die bekanntlich die Nachbarn der Ägypter im
Nordwesten gewesen sind, und die wiederholt selbst den nordwest-
lichen Teil des Nildeltas besessen haben. Man hat damit längst
den Tierschwanz im Ornat des ägyptischen Königs in Zusammen-
hang gebracht und die Vermutung ausgesprochen, daß dieser Teil
der ägyptischen Königstracht — vielleicht mit anderen Formen
des ägyptischen Königtums zusammen — im westlichen Delta
seinen Ursprung gehabt habe2.
Man könnte auch auf die Straußenfedern im Haar der Jäger
hinweisen, die an die gleiche Sitte bei libyschen Kriegern noch im
neuen Reiche erinnern •— aber Straußenfedern im Haar sind uns
auch bei ägyptischen und nubischen Kriegern mehrfach bezeugt.
Eher wäre hier die eigentümliche Doppelaxt zu nennen, die
einige der Jäger tragen. Sie ist uns zwar weder aus Unterägypten
noch als Waffe der Libyer bekannt, aber die Tatsache, daß sie in
Oberägypten fehlt, und daß eine —-freilich sehr anders geformte —
Doppelaxt später in Kreta auftritt, könnte dafür angeführt werden,
daß ihr Erscheinen hier eher für das aufs Mittelmeer hinschauende
Unterägypten als für Oberägypten als das Ursprungsland der Pa-
lette zu sprechen scheint.
Aber ich glaube, wir können für die Herkunft der Palette aus
Unterägypten noch einen sehr viel besseren Grund ins Feld führen.
Das sind die eigentümlichen Standarten, die drei — ursprünglich
vielleicht vier3 — von den Jägern in der Rechten halten, und in
1 Möller ZDMG. n. F. 3 [78], S. 40) will hier einen ganzen Tierbalg
(,,Wolfsbalg“) erkennen und läßt den Tierschwanz in der Königs- und Li-
byertracht der späteren Zeit als einen Rest dieser alten ,.Felltracht“ auf.
2 Vgl. Möller, a. a. O. Auch der spitze Kinnbart, bei rasierter Ober-
lippe, erinnert an die Darstellung von Libyern im m. Reich und n. Reich.
Auf die Ähnlichkeit der Jäger unserer Palette mit libyschen Kriegern in Beni-
hasan (Schurz, Haartracht, Bewaffnung) hat schon ITeuzey a. a. O. S. 150f.
hingewiesen. Freilich erkannte er diese Benihasan-Krieger damals noch nicht
als Libyer. Maspero dagegen (ebenda S.336) hat schon 1890 dem Louvre-
Bruchstück „libyschen Ursprung“ zugeschrieben.
3 Die hintere der beiden weggebrochenen Figuren an dem verletzten
Rande der Palette hat vielleicht —• nach Analogie der Darstellung am gegen-
überliegenden Rande —- auch eine „Oststandarte“ getragen.