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Christian Bartholomae.
wie zurta und bi-zir aufeinander eingewirkt haben; zurta und
bi-zar lassen sich als Kompromißbildungen bezeichnen.1)
Wieder anders scheint mir mpB. viturtan "sterben5 (34) ent-
standen zu sein. Das Präsens dazu lautet vitaret, aber auch vi-
5 tuet, mpT. viduänd. vitaret hat die doppelte Bedeutung 'er geht
hinüber und 'er stirbt5 (und zwar in religiösen Texten vom
Gläubigen ausgesagt). Der gewöhnliche Ausdruck für 'er stirbt5
ist mpB. mir et (in religiösen Texten vom Ungläubigen ausgesagt).
Der Infinitiv dazu lautet murtan. Danach schuf man neben dem
io gewöhnlichen vitartan (mit ar aus ar. f, s. oben S. 38), das 'hinüber-
gehen’ und 'sterben' bedeutet, aber nur für die letztere Bedeutung2)
viturtan.
Nun kann man freilich fragen: Wenn auf diese Wehe ur statt
ir hinter nicht labialen Konsonanten erscheint, wie kommt’s, daß
i5 sich nicht auch umgekehrt ir hinter Labialen statt ur findet? Das
hängt, wie ich glaube, damit zusammen, daß die Entwicklung des
uriran. gr aus ar. r hinter Labialen zu ur früher erfolgt ist, als die
zu ir in anderer Stellung. Wenigstens ein Teil der regelwidrigen
ur hat sich eingestellt, als uriran. dr noch nicht zu ir geworden war.
2o Dadurch aber waren die ^Bildungen mit ur gegenüber denen mit
ir zu solcher Mehrheit gelangt, daß sie deren Einfluß entzogen
blieben.
Wegen sbal. kurta (29) s. unten S. 65.
30. II. ur statt ir erscheint in Wörtern, die mit w-haltigen
25 a) etymologisch zusammengehören, oder b) ihnen in der Bedeutung
nahe stehen, oder c) damit zu einem einheitlichen Begriff ver-
schweißt sind.
a) sbal. sunant 'sie hören5 (38) habe ich schon GIrPh. 1 a.
(1895). 193 mit ai. §rnvänti zusammengestellt. sun° setzt ar.
30 *srn°, uriran. *s9rn° fort wie nbal. din° in dinant 'sie zerreißen5 ar.
*drn°, uriran. *dgrn°. Das u aber stammt aus dem später ver-
schollenen Präteritum *snd°, s. sar. xüd am, si^. sudam 'ich hörte’3 *),
9 Analoge Erscheinungen bietet auch das Verbum für 'sterben’: zeb.
murum 'ich werde sterben’ hat den Vokal des Präteritums, ya-fn. amir 'er
35 starb’ den des Präsens; s. Grierson Isbk. 87. Vgl. noch unten S. 64.
2) Das geht aus der Zusammenstellung im FrP. 22 deutlich hervor; es
folgen aufeinander murtan — miret — mireni — viturtan — vitiret — vitirem.
Die übrigen Verba des Kapitels, die vorhergehen, sind der Reihe nach: ge-
boren werden, entstehen, töten, erschlagen.
40 3) Der Anlaut der Wörter kömmt allerdings aus anderer Quelle, ebenso
wie der des np. sunüdan. Darauf gehe ich hier nicht ein.
Christian Bartholomae.
wie zurta und bi-zir aufeinander eingewirkt haben; zurta und
bi-zar lassen sich als Kompromißbildungen bezeichnen.1)
Wieder anders scheint mir mpB. viturtan "sterben5 (34) ent-
standen zu sein. Das Präsens dazu lautet vitaret, aber auch vi-
5 tuet, mpT. viduänd. vitaret hat die doppelte Bedeutung 'er geht
hinüber und 'er stirbt5 (und zwar in religiösen Texten vom
Gläubigen ausgesagt). Der gewöhnliche Ausdruck für 'er stirbt5
ist mpB. mir et (in religiösen Texten vom Ungläubigen ausgesagt).
Der Infinitiv dazu lautet murtan. Danach schuf man neben dem
io gewöhnlichen vitartan (mit ar aus ar. f, s. oben S. 38), das 'hinüber-
gehen’ und 'sterben' bedeutet, aber nur für die letztere Bedeutung2)
viturtan.
Nun kann man freilich fragen: Wenn auf diese Wehe ur statt
ir hinter nicht labialen Konsonanten erscheint, wie kommt’s, daß
i5 sich nicht auch umgekehrt ir hinter Labialen statt ur findet? Das
hängt, wie ich glaube, damit zusammen, daß die Entwicklung des
uriran. gr aus ar. r hinter Labialen zu ur früher erfolgt ist, als die
zu ir in anderer Stellung. Wenigstens ein Teil der regelwidrigen
ur hat sich eingestellt, als uriran. dr noch nicht zu ir geworden war.
2o Dadurch aber waren die ^Bildungen mit ur gegenüber denen mit
ir zu solcher Mehrheit gelangt, daß sie deren Einfluß entzogen
blieben.
Wegen sbal. kurta (29) s. unten S. 65.
30. II. ur statt ir erscheint in Wörtern, die mit w-haltigen
25 a) etymologisch zusammengehören, oder b) ihnen in der Bedeutung
nahe stehen, oder c) damit zu einem einheitlichen Begriff ver-
schweißt sind.
a) sbal. sunant 'sie hören5 (38) habe ich schon GIrPh. 1 a.
(1895). 193 mit ai. §rnvänti zusammengestellt. sun° setzt ar.
30 *srn°, uriran. *s9rn° fort wie nbal. din° in dinant 'sie zerreißen5 ar.
*drn°, uriran. *dgrn°. Das u aber stammt aus dem später ver-
schollenen Präteritum *snd°, s. sar. xüd am, si^. sudam 'ich hörte’3 *),
9 Analoge Erscheinungen bietet auch das Verbum für 'sterben’: zeb.
murum 'ich werde sterben’ hat den Vokal des Präteritums, ya-fn. amir 'er
35 starb’ den des Präsens; s. Grierson Isbk. 87. Vgl. noch unten S. 64.
2) Das geht aus der Zusammenstellung im FrP. 22 deutlich hervor; es
folgen aufeinander murtan — miret — mireni — viturtan — vitiret — vitirem.
Die übrigen Verba des Kapitels, die vorhergehen, sind der Reihe nach: ge-
boren werden, entstehen, töten, erschlagen.
40 3) Der Anlaut der Wörter kömmt allerdings aus anderer Quelle, ebenso
wie der des np. sunüdan. Darauf gehe ich hier nicht ein.