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Heinrich Mitteis:
seine Unschuld dargetan hat1. Andernfalls ist das Nichtleisten
stets ein solvere nolle, das Nichterscheinen ein venire nolle,
contemptus, contumacia, despectus. Und das ist die Grundlage
für die strafrechtliche Seite der Acht, die neben ihrer Zwangs-
funktion noch zu vollem Recht besteht. Heinrich hat sich nun
nicht auf echte Not berufen. Dies ausdrücklich zu konstatieren ist
der lehnrechtlichen Verurteilung der Satz eingefügt:
eo quod se absentasset nec aliquem pro se misisset respon-
salem.
Ich möchte hierzu bemerken, daß dieser Passus meist ungenau
wiedergegeben wird, indem responsalis mit „Fürsprech“ übersetzt
wird2. Aber der technische Ausdruck für den Fürsprech, der für
die anwesende Partei die unter Prozeßgefahr stehende Erklärung
abgibt, damit ihr die Gelegenheit zur Wandelung bleibe, ist prolo-
cutor3. Responsalis kann nichts andres bedeuten als den „Schein-
boten“, der von der ausbleibenden Partei gesandt wird, um die
echte Not, die sunnis zu kündigen. Daß solche Scheinboten im
Königsgericht aufgetreten sind, wissen wir auch aus sonstigen
Zeugnissen4.
Auf Grund dieses Ergebnisses können wir uns jetzt der juri-
stischen Würdigung der einzelnen Ladungsfristen zuwenden. Hier
sind verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden, die zu großen
literarischen Kontroversen Anlaß gegeben haben.
1. Verhältnismäßig einfach ist die Rechtslage bei den Ladungs-
gründen nach Landrecht. Hier ist vor allem wichtig die Erwähnung
der Ladungsbitte der Fürsten. Sie gelangt zu vollkommen ein-
deutigem Ausdruck; irgend ein Anhaltspunkt, daß der König selbst
1 Für das Privatrecht vgl. Ernst Heymann, Verschulden beim Er-
füllungsverzug', 1913, S. 49ff. (mit ausdrücklicher Gleichsetzung von Verzug
und Kontumaz). Vgl. auch meine Rechtswirkungen des Leistungsverzugs
(Beyerles Dtsche. Beitr. VIII, 2), S. 29 ff. Für das Prozeßrecht A. B. Schmidt,
Echte Not, 1886, S. 48ff.
2 Haller S. 359, 405; Franke S. 13; Güterbock I S. 73 sagt noch
unpräziser: Bevollmächtigter.
3 Siegel, Erholung und Wandelung im gerichtl. Verfahren (Wien 1863);
Brunner, Forsch., 357ff.; Franklin, Reichshofger. II, S. 181 f. Dort auch
Beispiele für das Auftreten von Fürsprechern im Reichshofgericht.
4 In einem Brief Ivonrads III. an Papst Eugen III. über den Utrechter
Bistumsstreit 1150 wird ein solcher Scheinbote erwähnt. Vgl. Wibaldi epi-
stolae ed. Jaffe (Mon. Corbeiensia I, 1864) Nr. 324, p. 453; das Zitat bei
Franklin, Reichshofger. I, S. 73, ist falsch.
Heinrich Mitteis:
seine Unschuld dargetan hat1. Andernfalls ist das Nichtleisten
stets ein solvere nolle, das Nichterscheinen ein venire nolle,
contemptus, contumacia, despectus. Und das ist die Grundlage
für die strafrechtliche Seite der Acht, die neben ihrer Zwangs-
funktion noch zu vollem Recht besteht. Heinrich hat sich nun
nicht auf echte Not berufen. Dies ausdrücklich zu konstatieren ist
der lehnrechtlichen Verurteilung der Satz eingefügt:
eo quod se absentasset nec aliquem pro se misisset respon-
salem.
Ich möchte hierzu bemerken, daß dieser Passus meist ungenau
wiedergegeben wird, indem responsalis mit „Fürsprech“ übersetzt
wird2. Aber der technische Ausdruck für den Fürsprech, der für
die anwesende Partei die unter Prozeßgefahr stehende Erklärung
abgibt, damit ihr die Gelegenheit zur Wandelung bleibe, ist prolo-
cutor3. Responsalis kann nichts andres bedeuten als den „Schein-
boten“, der von der ausbleibenden Partei gesandt wird, um die
echte Not, die sunnis zu kündigen. Daß solche Scheinboten im
Königsgericht aufgetreten sind, wissen wir auch aus sonstigen
Zeugnissen4.
Auf Grund dieses Ergebnisses können wir uns jetzt der juri-
stischen Würdigung der einzelnen Ladungsfristen zuwenden. Hier
sind verschiedene Schwierigkeiten zu überwinden, die zu großen
literarischen Kontroversen Anlaß gegeben haben.
1. Verhältnismäßig einfach ist die Rechtslage bei den Ladungs-
gründen nach Landrecht. Hier ist vor allem wichtig die Erwähnung
der Ladungsbitte der Fürsten. Sie gelangt zu vollkommen ein-
deutigem Ausdruck; irgend ein Anhaltspunkt, daß der König selbst
1 Für das Privatrecht vgl. Ernst Heymann, Verschulden beim Er-
füllungsverzug', 1913, S. 49ff. (mit ausdrücklicher Gleichsetzung von Verzug
und Kontumaz). Vgl. auch meine Rechtswirkungen des Leistungsverzugs
(Beyerles Dtsche. Beitr. VIII, 2), S. 29 ff. Für das Prozeßrecht A. B. Schmidt,
Echte Not, 1886, S. 48ff.
2 Haller S. 359, 405; Franke S. 13; Güterbock I S. 73 sagt noch
unpräziser: Bevollmächtigter.
3 Siegel, Erholung und Wandelung im gerichtl. Verfahren (Wien 1863);
Brunner, Forsch., 357ff.; Franklin, Reichshofger. II, S. 181 f. Dort auch
Beispiele für das Auftreten von Fürsprechern im Reichshofgericht.
4 In einem Brief Ivonrads III. an Papst Eugen III. über den Utrechter
Bistumsstreit 1150 wird ein solcher Scheinbote erwähnt. Vgl. Wibaldi epi-
stolae ed. Jaffe (Mon. Corbeiensia I, 1864) Nr. 324, p. 453; das Zitat bei
Franklin, Reichshofger. I, S. 73, ist falsch.