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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0111
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Politische Pro/esse.

111

ohne die Absicht den Stoff nach irgend einer Richtung zu erschöp-
fen, nur folgende wenigen Bemerkungen gestattet:
Freilich war auch das Verfahren gegen Ottokar ein Versäumnis-
verfahren. Aber es war kein Kontumazialverfahren mehr;
die Urteilsgrundlage war eine gänzlich andere: nicht mehr wegen,
sondern trotz seiner Säumnis wurde Ottokar verurteilt. Denn
dieser politische Prozeß darf nicht aus dem Zusammenhänge der
großen, freilich nicht zur Durchführung gelangten Staatsaktion
gelöst werden, als dessen erste Manifestation er gedacht war. Be-
kanntlich plante Rudolf von Habsburg eine großzügige Revindi-
kation des während des Interregnums verlorengegangenen Reichs-
guts. Das erste diese verwaltungstechnische Maßregel anordnende
Edikt muß wohl schon auf einem Reichstag von Speyer im Dezember
1273 ergangen sein1, wo auch bereits eine generalis commissio zu
diesem Zwecke eingesetzt wurde. Dann wurden allgemeine, aber
materiell doch auf Ottokar gemünzte Reichssentenzen gefunden auf
dem Reichstag zu Nürnberg2, November 1274. Das Ganze war,
wie schon Niese richtig erkannt hat, eine Angelegenheit, die mit
dem Lehn recht garnichts zu tun hatte. Allerdings scheint in
ziemlich äußerlicher Verbindung mit diesem Verfahren auch ein
lehnrechtlicher Prozeß wegen der versäumten Mutung für Böhmen
und Mähren gespielt zu haben. Es ist hier nicht auf die Zuteilung
der verschiedenen Termine zu dem einen oder dem andern Ver-
fahren einzugehen; nur die Grundlage des landrechtlichen Urteils
interessiert uns. Und zwar bedienen wir uns zu ihrer Ermittelung
zunächst des Ladungsschreibens, das am 20. November 1274 an
Ottokar erging. In ihm findet sich ein auffälliger Passus. Da, wo
nämlich die Säumnisfolgen angedroht werden, sagt Rudolf3:
vobis precipiendo mandamus, quatenus X. Kal. Febr., quem ter-
minum magnitudini vestre de eorundem principum consilio et sen-
tencici pro peremptorio prefigimus, coram nobis apud N. com-
pareatis, predicto Romanorum regi illustri super iniuriis et manifestis
violenciis: quas idem rex sibi et imperio a vobis illatas conqueritur,
legittime responsuri. Et sive veneritis sive non, nos nichilo-

1 Vgl. Redlich, Anfänge Rudolfs von Habsburg (MJOeG. X, 369ff.);
Lamprecht, Entstehung der Willebriefe (FDG.XXI [1881], S. 15). Urkundliche
Zeugnisse fehlen. Über den Ursprung der Kommissionen ist m. W. noch
nirgendwo gehandelt.
2 MG. Const. III, p. 59.
3 MG. Const. III, 61.
 
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