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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0113
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Politische Prozesse.

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durch den Kläger, und dadurch zwar eine schwerfälligere, aber
bedeutend sicherere und mehr Garantien für die wirkliche Klärung
des Sachverhaltes in sich tragende Urteilsgrundlage schuf. Nach
den Grundsätzen des Kontumazialverfahrens, wie sie sich damals
schon vielerorts durchgesetzt hatten, hätte wohl das gesamte kläge-
rische Vordringen als zugestanden angesehen werden müssen.
Leider haben wir über die Verurteilung Ottokars selbst kein
urkundliches Zeugnis, sondern nur Erwähnungen in verschiedenen
Schriftstücken1, die teilweise andere Zwecke als den eines genauen
Prozeßberichtes verfolgen und daher auf die Erwähnung des
Grundes der Verurteilung verzichten. Wir können aus ihnen den
Gang des Verfahrens nicht genau rekonstruieren. Aber schon das
Ladungsschreiben mit dem charakteristischen2: sive venerit sive non
genügt, um den Prozeß aus unsrer Reihe auszuscheiden und seine
Behandlung einer späteren Untersuchung aufzusparen, die die Aus-
breitung des Eremodizialverfahrens in ganz Deutschland schildern
soll. Dort wird auch die entwicklungsgeschichtlich interessante
Frage zur Beantwortung stehen, inwieweit es sich hierbei um eine
einfache Frührezeption des romanisch-kanonischen Prozeßrechts
handelt, inwieweit andererseits Verbindungslinien von dieser Praxis
des Reichshofgerichts direkt zurücklaufen zu der fränkischen königs-
rechtlichen inquisitio, als deren Begleiterscheinung, ihrer gesamten
prozeßtechnischen Haltung angepaßt, das Eremodizialverfahren
reklamiert werden kann3. Es wird dann hauptsächlich darauf an-
kommen, die Bindeglieder aufzufinden, aus denen auf eine fort-
dauernde Geltung des Inquisitionsverfahrens im Reichshofgericht,
wenigstens für Angelegenheiten des Reichsguts, geschlossen werden
kann. Dabei werden wahrscheinlich die Versuche Heinrichs IV. zur
Rückgewinnung des Reichsguts in Sachsen eine gewisse Rolle
spielen4, denen bisher die Rechtsgeschichte so gut wie keine Auf-
merksamkeit geschenkt hat. — Im Anschluß daran wird noch
gezeigt werden können, daß dieses Eremodizialprinzip mit seiner

1 Z. B. in dem Briefe des Erzbischofs von Mainz an seine Suffragane
vom 7. Juli 1276 (MG. Const. III, S. 101 ff.).
2 Beispiele aus anderen Rechtsgebieten in meinen Studien S. 215ff.
3 Ygl. meine Studien S. 200ff.
4 Vgl. vorläufig Heinrich Ulmann, Zum Verständnis der sächsischen
Erhebung unter Heinrich IV. (Histor. Aufsätze für Waitz, 1886, S. 119ff.);
Gundlach, Heldenlieder der dtsch. Kaiserzeit, Bd. II, der Sang vom Sachsen-
krieg (1894), S. 397ff.

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. 1. 1926/27. 3. Abh.
 
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