Studien zur Spätscholastik. III.
37
geißeln, die mali principes, die Unrecht tun, zur Strafe für unsere
Sünden; aber Gott wird dafür sorgen, daß ihr Übermut nicht
ungestraft bleibt. Das alles ist sehr merkwürdig und scheint auf
den ersten Blick wieder abzuweichen von der Linie Wessel scher
Gedanken. Wessels gleichnamige Schrift jedenfalls (de potestate
ecclesiastica) predigt offen das Recht, ja die Pflicht des Wider-
standes gegen gottlose Obrigkeit1: freilich nur dann, wenn ihr
Handeln offen Gottes Gebot widerstreitet; und für diesen Fall
scheint auch unser Autor ähnlicher Meinung (157f.), nur daß er sie
in weniger revolutionär klingenden Wendungen ausdrückt2.
Wie dem auch sei —- eine eindeutige Antwort auf die schwierige
Quellenfrage wage ich nicht — in Johann von Wesels Schriften
findet auch dieser letzte Teil des Traktats keinerlei Parallele.
5. Zur Überlieferungsgeschichte des Prozeßberichtes.
Über den Ketzerprozeß Johann von Wesels ist uns ein Bericht
in mehreren Fassungen überliefert, deren Einzelvergleichung zu
sehr merkwürdigen, auch kulturgeschichtlich bedeutsamen Er-
gebnissen führt.
In älteren kirchengeschichtlichen Quellensammlungen3, zuerst
in der s. 1. et a. 1521 oder 1522 erschienenen editio princeps der
,,Kommentarien“ des Aeneas Sylvius zum Baseler Konzil4, danach
in Ortwin Gratius’ Fasciculus rerum expetendarum et fugiendarum
1 Opp. 768ff. Vgl. dazu: De modis uniendi (Dietr. von Niems?) bei
Gerson, Opp. ed. Dupin II, 170c.
2 Ich weise noch auf einige Parallelen bei Wessel (de potest eccl.) hin:
Opp. 756 (Begriff der cathedra Mosis), 755 (Verkündung der lex divina als
Grundlage der potestas prelatorum), 765 (ursprüngliche Gleichheit der Men-
schen, Herrschaftsvertrag, Freiwilligkeit des Gehorsams), 754, 764 (kein Är-
gernis geben!), 767/8 (der wahre und der falsche Hirt), 748 (Belehrung des
irrenden Papstes durch einfältige Laien). Es ließen sich noch viele weitere
Stellen beibringen. — Übrigens ist die Verwandtschaft des Traktats mit
Wessels eben zitierter Schrift, wie ich erst nachträglich bemerke, auch 0. Cle-
men aufgefallen: s. Zentralbl. f. Bibliothekswesen 17, 589.
3 Aufgezählt bei Clemen, PRE3, 21, 128.
4 Voigt, Enea Silvio I, 230ff.; Clemen, DZGW II, 144, Anm. Die
dort nach Hain 9433 zitierte Ausgabe der Paradoxa J. Wesseli von 1479
ist nirgends aufzufinden. Ich zweifle kaum, daß es sich bei diesem angeblichen
Druck um ein ewig fortgeschlepptes Mißverständnis älterer bibliographischer
Nachschlagewerke handelt. Hain 9433 geht zurück auf Panzer II, S. 130,
Nr. 52, dieser auf ältere Bibliographien usw.
37
geißeln, die mali principes, die Unrecht tun, zur Strafe für unsere
Sünden; aber Gott wird dafür sorgen, daß ihr Übermut nicht
ungestraft bleibt. Das alles ist sehr merkwürdig und scheint auf
den ersten Blick wieder abzuweichen von der Linie Wessel scher
Gedanken. Wessels gleichnamige Schrift jedenfalls (de potestate
ecclesiastica) predigt offen das Recht, ja die Pflicht des Wider-
standes gegen gottlose Obrigkeit1: freilich nur dann, wenn ihr
Handeln offen Gottes Gebot widerstreitet; und für diesen Fall
scheint auch unser Autor ähnlicher Meinung (157f.), nur daß er sie
in weniger revolutionär klingenden Wendungen ausdrückt2.
Wie dem auch sei —- eine eindeutige Antwort auf die schwierige
Quellenfrage wage ich nicht — in Johann von Wesels Schriften
findet auch dieser letzte Teil des Traktats keinerlei Parallele.
5. Zur Überlieferungsgeschichte des Prozeßberichtes.
Über den Ketzerprozeß Johann von Wesels ist uns ein Bericht
in mehreren Fassungen überliefert, deren Einzelvergleichung zu
sehr merkwürdigen, auch kulturgeschichtlich bedeutsamen Er-
gebnissen führt.
In älteren kirchengeschichtlichen Quellensammlungen3, zuerst
in der s. 1. et a. 1521 oder 1522 erschienenen editio princeps der
,,Kommentarien“ des Aeneas Sylvius zum Baseler Konzil4, danach
in Ortwin Gratius’ Fasciculus rerum expetendarum et fugiendarum
1 Opp. 768ff. Vgl. dazu: De modis uniendi (Dietr. von Niems?) bei
Gerson, Opp. ed. Dupin II, 170c.
2 Ich weise noch auf einige Parallelen bei Wessel (de potest eccl.) hin:
Opp. 756 (Begriff der cathedra Mosis), 755 (Verkündung der lex divina als
Grundlage der potestas prelatorum), 765 (ursprüngliche Gleichheit der Men-
schen, Herrschaftsvertrag, Freiwilligkeit des Gehorsams), 754, 764 (kein Är-
gernis geben!), 767/8 (der wahre und der falsche Hirt), 748 (Belehrung des
irrenden Papstes durch einfältige Laien). Es ließen sich noch viele weitere
Stellen beibringen. — Übrigens ist die Verwandtschaft des Traktats mit
Wessels eben zitierter Schrift, wie ich erst nachträglich bemerke, auch 0. Cle-
men aufgefallen: s. Zentralbl. f. Bibliothekswesen 17, 589.
3 Aufgezählt bei Clemen, PRE3, 21, 128.
4 Voigt, Enea Silvio I, 230ff.; Clemen, DZGW II, 144, Anm. Die
dort nach Hain 9433 zitierte Ausgabe der Paradoxa J. Wesseli von 1479
ist nirgends aufzufinden. Ich zweifle kaum, daß es sich bei diesem angeblichen
Druck um ein ewig fortgeschlepptes Mißverständnis älterer bibliographischer
Nachschlagewerke handelt. Hain 9433 geht zurück auf Panzer II, S. 130,
Nr. 52, dieser auf ältere Bibliographien usw.