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Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0004
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R. Ii. Goldschmidt:

sein Objekt, als sein Kunstwerk zu gestalten, oder in der Wirklich-
keit ein Seiendes schöpferisch Träger eines ästhetisch-geltenden
Wertes werden zu lassen.
Das wirklich erlebte Postulat richtet sich auf Farbwandel-
spiele hin. Aus deren ästhetischer Wertgeltung ist das ,,Sollen“
(im Sinne von Rickert) herzuleiten, so wie es dem erlebten Postulat
entspricht, womit keineswegs behauptet wird, die ästhetische Wert-
geltung selbst wäre vom realen Akt der Wertung abhängig. Aber
für eine seinswissenschaftliche, psychologische Untersuchung der
Färb wandelspiele ist der reale Akt der Wertung die Grundlage
zur Entscheidung, ob die Färb wandelspiele als Vorstellungen (im
engeren Sinne), oder als Ideen (im Sinne von Hume), durch Postulat-
adäquate Farbdarbietungen, für Wahrnehmungen oder Impres-
sionen realisierbar sind. Hier, in einer ersten Untersuchung über
Farbwandelspiele empfiehlt es sich, philosophische, im besonderen
ästhetische Fragen nach der Wertgeltung selbst zurückzustellen,
um vorerst seinswissenschaftlich zu untersuchen, ob es für die Idee
der Farbwandelspiele eine Realisierung gibt? Tatsachen verfehlter
Unternehmungen zeigen entsprechend der menschlichen Unzu-
länglichkeit, daß es ein Sollen gibt, dem faktisch nicht Genüge
geschieht. Und erst recht gibt es allgemein Wünsche, mit denen
die Wunscherfüllung nicht effektiv, nicht einmal potentiell gegeben
ist. Es konnte bisher als möglich erscheinen, daß die postulierten
Farberlebnisse derart unerreichbare Zielvorstellungen wären, wie
das perpetuum mobile, oder wie der Stein der Weisen. — Für ein
erfolgreiches Handeln gälten dann die unerreichbaren Ziele wohl
als ebenso unnütz wie Ziellosigkeit. — Aber selbst dann sind Fort-
schritte der wissenschaftlichen Erkenntnis bereits auf dem Wege
nach einem unerreichbaren Ziele hin möglich, wenn nämlich dessen
Phantasiebild als die Ziel Vorstellung durch deren Richtung-
gebung dem Handeln Plan und Erfolg gewährt, wenn gleichsam
im Fortschreiten eine Annäherung an das unerreichbare Ziel gelingt,
beispielsweise die nutzbringende Verwertung physischer Kräfte
erfunden, oder die zweckmäßige Herstellung chemischer Substanzen
entdeckt wird. Sonach ergibt sich eine praktische Redeutung der
„postulierten“ Farbwandelspiele insofern, als sie entweder — gleich
Idealen — Einfluß auf menschliches Handeln gewinnen und gleich-
sam mittelbar Realisationen einer ihnen mehr oder minder ver-
wandten Art hervorrufen können, oder insofern, als sie gleichsam
unmittelbar selbst realisierbar sind. Und es darf gefragt werden,
 
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