Postulat der Farbwandelspiele.
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beim Verfolgen des Färbwanclels kaum zur Geltung gelangten
(nicht mehr als sonst beim Erleben eines Kunstwerkes); aber bloße
Simultaneindrücke von Farbzusammenstellungen würden erheb-
liche individuelle Differenzen schon deswegen zeigen, weil Farb-
zusammenstellungseindrücke allemal von den vorausgehenden Farb-
erlebnissen mitbeeinflußt wären, also (gleichsam wie in einer Farb-
folge) in Bezogenheit zu den (für einen Jeden in seinerWeise) vor-
ausgehenden „Relationsfarben“ (mangels geeigneter vorausgehender
Färbwandeldarbietungen:) individuell different erlebt würden.
Die interindividuelle Gleichartigkeit des Erlebens ausgesprochen
„postulierter“ Färb wandeldarbietungen betraf auch den ästheti-
schen Eindruck, den ein Farbwandel machen konnte. Ein solcher
Farbwandel erweckte nämlich nicht nur irgendein Wohlgefallen am
Farbigen, etwa an der lustbetonten Buntheit, wie sie war, wie sie
aber wohl auch ebenso gut anders hätte sein können; es entstand
vielmehr ein geschlossener Eindruck, dessen einzelne Teile ihm wie
mit Notwendigkeit anzugehören, und ein einheitliches Gefüge mit
eigenem ästhetischen Wertcharakter zu bilden schienen. Einem
solchen Farbenwandel war, entsprechend seiner ästhetischen Wir-
kung, ein ästhetischer Eigenwert und damit auch eigenes Wesen
und eigener Sinn zuzusprechen. — Es gibt eine Möglichkeit für
„Farbwandelspiele“ (im Sinne von 1.—4.).
Hier endet die Arbeit des Psychologen, und es beginne das
künstlerische Schaffen! Es ist so, als hätte der erste Geigenbauer
sein erstes brauchbares Instrument fertiggestellt, die Saiten vor-
läufig gestimmt und versucht, wie sich allerhand Töne und eine
wenigstens primitive Melodie selbst von seiner hierfür ungeübten
Hand hervorzaubern ließen, und als würde die Geige dann zum
Werkzeug für das künstlerische Schaffen des Komponisten und
Virtuosen!
24. Farbwandelspiele eines Künstlers versprechen ihrerseits
wieder, für wissenschaftliche Betrachtungen ein Gegenstand von be-
sonderer Bedeutung zu werden, zumal in ästhetischer Hinsicht, da
sie, nach Art der musikalischen Melodie, (im Sinne von Rickert)
selbst einen ästhetischen Gegenstand bilden und ästhetisch nicht
etwa nur zur Schmückung oder Gestaltung eines außerästhetischen
Gegenstandes dienen.
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beim Verfolgen des Färbwanclels kaum zur Geltung gelangten
(nicht mehr als sonst beim Erleben eines Kunstwerkes); aber bloße
Simultaneindrücke von Farbzusammenstellungen würden erheb-
liche individuelle Differenzen schon deswegen zeigen, weil Farb-
zusammenstellungseindrücke allemal von den vorausgehenden Farb-
erlebnissen mitbeeinflußt wären, also (gleichsam wie in einer Farb-
folge) in Bezogenheit zu den (für einen Jeden in seinerWeise) vor-
ausgehenden „Relationsfarben“ (mangels geeigneter vorausgehender
Färbwandeldarbietungen:) individuell different erlebt würden.
Die interindividuelle Gleichartigkeit des Erlebens ausgesprochen
„postulierter“ Färb wandeldarbietungen betraf auch den ästheti-
schen Eindruck, den ein Farbwandel machen konnte. Ein solcher
Farbwandel erweckte nämlich nicht nur irgendein Wohlgefallen am
Farbigen, etwa an der lustbetonten Buntheit, wie sie war, wie sie
aber wohl auch ebenso gut anders hätte sein können; es entstand
vielmehr ein geschlossener Eindruck, dessen einzelne Teile ihm wie
mit Notwendigkeit anzugehören, und ein einheitliches Gefüge mit
eigenem ästhetischen Wertcharakter zu bilden schienen. Einem
solchen Farbenwandel war, entsprechend seiner ästhetischen Wir-
kung, ein ästhetischer Eigenwert und damit auch eigenes Wesen
und eigener Sinn zuzusprechen. — Es gibt eine Möglichkeit für
„Farbwandelspiele“ (im Sinne von 1.—4.).
Hier endet die Arbeit des Psychologen, und es beginne das
künstlerische Schaffen! Es ist so, als hätte der erste Geigenbauer
sein erstes brauchbares Instrument fertiggestellt, die Saiten vor-
läufig gestimmt und versucht, wie sich allerhand Töne und eine
wenigstens primitive Melodie selbst von seiner hierfür ungeübten
Hand hervorzaubern ließen, und als würde die Geige dann zum
Werkzeug für das künstlerische Schaffen des Komponisten und
Virtuosen!
24. Farbwandelspiele eines Künstlers versprechen ihrerseits
wieder, für wissenschaftliche Betrachtungen ein Gegenstand von be-
sonderer Bedeutung zu werden, zumal in ästhetischer Hinsicht, da
sie, nach Art der musikalischen Melodie, (im Sinne von Rickert)
selbst einen ästhetischen Gegenstand bilden und ästhetisch nicht
etwa nur zur Schmückung oder Gestaltung eines außerästhetischen
Gegenstandes dienen.