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Nikolaus [Hrsg.]; Hoffmann, Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0009
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„Der Tag, der geweihte, ist uns leuchtend aufgegangen;
ihr Völker kommet, betet an den Herrn!“
Die heilige Mutter Kirche, die makellose Braut des höchsten
Königs, stimmt im symphonischen Jubel voll der höchsten Wonne
der heutigen Feier den Freudensang an: „Der Tag, der ge-
weihte, . .
Als die Tochter Zion viele Jahre lang im Dunkel gefangen
saß, in den Schatten der Entbehrung des geistigen Lebens, da
erblickte sie in den Propheten zahlreiche Sternenstrahlen, die einen
Schimmer von Tag gaben und durch Leben und Wort des Geistes
auf das Kommen eines vollen Tages deuteten. Oft war dies ein
Trost der Tochter Zion, das ist: der nach der heiß ersehnten Schau
des geistigen Lebens dürstenden Seele. Und viele Tage gingen so
vorüber; doch die Schatten, die in ihnen sich zeigten, waren ver-
gänglich, — sie zeigten sich aber verbunden mit immer hellerem
Licht. Heute jedoch ist leuchtend der eigentliche Tag, der in
sich geheiligt, ja das Fleilige selbst ist, aufgegangen, allen vergange-
nen und künf tigen unvergleichbar. Leuchtend, sage ich, von keinem
Dunkel getrübt, sondern alles Dunkel in die Ferne scheuchend,
nicht wie einer von den Sternen, sondern wie die wahre Sonne
selbst in ihrer erhabenen ursprünglichen Helle, ·— nein, auch nicht
wie die Sonne in ihrer Helle, sondern als das unendliche Licht,
das — keinem sinnlichen Auge sichtbar ■—- nicht die geringste
Dunkelheit mehr birgt. Er ist uns leuchtend aufgegangen, damit
uns mehr noch der Weg zum Ziele offenbar sei, damit aller Trug
durch die Wahrheit verjagt sei, damit durch das Leben der
Tod mehr noch tot sei: und dies alles vollkommen einheitlich, ohne
Vielfalt, weil das Licht selbst der Weg ist, die Wahrheit und das
Leben.
Darum, weil der Bräutigam, der in der Sonne sein Zelt aufge-
schlagen, von uns so lange mit heißem Verlangen und großer Sehn-
sucht erwartet, heute der bräutlichen Tochter Zion leuchtend er-
schienen ist, darum müssen wir uns erheben und nicht dem Schlaf
erliegen, sondern geleitet von dem uns eingehauchten Gefühl der
höchsten Inbrunst und der Bewegung unseres Innern, mit wolil-
duftendem Räucherwerk — das sind die frommen Gebete der
 
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