Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.
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mit den Sinnen. Denn er übersteigt alle Sinne und allen Verstand
und läßt sich nur durch den Glauben erfassen; denn ,,So ihr nicht
glaubt, werdet ihr nicht erkennen“, sagt Jesaias. Wir glauben
also, daß Gott einig und dreifältig ist, doch so, daß weder seine
Einheit noch seine Dreifaltigkeit sich begreifen läßt.
Von Gott bekennen alle Völker der Welt, er sei das (abso-
lut—) Beste, und alles stamme von ihm; dies haben auch die
Heiden nicht geleugnet. Denn da nichts sich selbst zum Sein
hervorbringen kann — weil es ja sonst wäre, bevor es war, was der
Verstand nicht zuläßt —: so muß man notwendig auf ein Eines,
Erstes, Ewiges kommen.
Dieses erste Prinzip aber nennen wir Gott, dessen Nicht-
Sein zu denken nicht möglich ist. Denn er ist die Wahrheit, von
der nicht gedacht werden kann, daß sie nicht sei. Denn die Wahr-
heit ist der Gegenstand des Denkens; ob nun gedacht wird ,,Gott
ist“ oder „Gott ist nicht“: wofern nur eines von beiden als wahr
bejaht wird, wird auch das Sein Gottes bejaht. Über alle Gegen-
sätzlichkeit und allen Widerspruch ist also Gott erhaben, dessen
Sein durch beide Glieder des Gegensatzes notwendig erscheint.
Willst du darum auf steigen zur Untersuchung des Wesens
Gottes, so siehst du, daß du versagen mußt, weil du zur Erkenntnis
der göttlichen Unendlichkeit, die allen Gegensatz überschreitet
und ihm als vollkommen-einfache Ewigkeit und tiefste Ursache
vorausgeht, dir weder mit Namen noch mit Vernunftgründen
zu helfen vermagst. Denn Gott ist nicht ein Etwas, das einen
Gegensatz kennt, sondern ist über alle Gegensätze unendlich
erhaben, wie die wahren Gotteslehrer es lehren. Suchst du also
Gott auf verstandesmäßigem Wege und betrachtest ihn als das
höchste Gut, so bejahst du von ihm Wahrheit, Gerechtigkeit, Gnade,
und verneinst von ihm das Gegenteil dieser Bestimmungen; indem
du ihn aber so betrachtest, stößt du auf etwas wie Vielheit und
Andersheit, da ja die Gerechtigkeit in ihrem Wesensgrund nicht
Wahrheit und die Wahrheit nicht Gnade ist; und ebenso ist es
mit den anderen Bestimmungen. Daraus siehst du, daß Namen
wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Licht Gott nicht zukommen,
da sie Verschiedenheit, Vielheit, Gegensätzlichkeit und Verstell-
barkeit zum Ausdruck bringen, Bestimmungen, die alle dem
ersten, vollkommen-einfachen Unendlichen nicht zukommen kön-
nen. Du behauptest deshalb, wahrer sei, daß diese Namen im Sinn
von bestimmenden Setzungen Gott nicht zukommen, der ja nicht
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mit den Sinnen. Denn er übersteigt alle Sinne und allen Verstand
und läßt sich nur durch den Glauben erfassen; denn ,,So ihr nicht
glaubt, werdet ihr nicht erkennen“, sagt Jesaias. Wir glauben
also, daß Gott einig und dreifältig ist, doch so, daß weder seine
Einheit noch seine Dreifaltigkeit sich begreifen läßt.
Von Gott bekennen alle Völker der Welt, er sei das (abso-
lut—) Beste, und alles stamme von ihm; dies haben auch die
Heiden nicht geleugnet. Denn da nichts sich selbst zum Sein
hervorbringen kann — weil es ja sonst wäre, bevor es war, was der
Verstand nicht zuläßt —: so muß man notwendig auf ein Eines,
Erstes, Ewiges kommen.
Dieses erste Prinzip aber nennen wir Gott, dessen Nicht-
Sein zu denken nicht möglich ist. Denn er ist die Wahrheit, von
der nicht gedacht werden kann, daß sie nicht sei. Denn die Wahr-
heit ist der Gegenstand des Denkens; ob nun gedacht wird ,,Gott
ist“ oder „Gott ist nicht“: wofern nur eines von beiden als wahr
bejaht wird, wird auch das Sein Gottes bejaht. Über alle Gegen-
sätzlichkeit und allen Widerspruch ist also Gott erhaben, dessen
Sein durch beide Glieder des Gegensatzes notwendig erscheint.
Willst du darum auf steigen zur Untersuchung des Wesens
Gottes, so siehst du, daß du versagen mußt, weil du zur Erkenntnis
der göttlichen Unendlichkeit, die allen Gegensatz überschreitet
und ihm als vollkommen-einfache Ewigkeit und tiefste Ursache
vorausgeht, dir weder mit Namen noch mit Vernunftgründen
zu helfen vermagst. Denn Gott ist nicht ein Etwas, das einen
Gegensatz kennt, sondern ist über alle Gegensätze unendlich
erhaben, wie die wahren Gotteslehrer es lehren. Suchst du also
Gott auf verstandesmäßigem Wege und betrachtest ihn als das
höchste Gut, so bejahst du von ihm Wahrheit, Gerechtigkeit, Gnade,
und verneinst von ihm das Gegenteil dieser Bestimmungen; indem
du ihn aber so betrachtest, stößt du auf etwas wie Vielheit und
Andersheit, da ja die Gerechtigkeit in ihrem Wesensgrund nicht
Wahrheit und die Wahrheit nicht Gnade ist; und ebenso ist es
mit den anderen Bestimmungen. Daraus siehst du, daß Namen
wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Licht Gott nicht zukommen,
da sie Verschiedenheit, Vielheit, Gegensätzlichkeit und Verstell-
barkeit zum Ausdruck bringen, Bestimmungen, die alle dem
ersten, vollkommen-einfachen Unendlichen nicht zukommen kön-
nen. Du behauptest deshalb, wahrer sei, daß diese Namen im Sinn
von bestimmenden Setzungen Gott nicht zukommen, der ja nicht