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Nikolaus [Hrsg.]; Hoffmann, Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0017
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Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.

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nicht gesagt, was gedacht und was nicht gedacht werden kann,
in ihr alles die Unendlichkeit selbst, die sowohl das, was ist,
wie das, was nicht ist, in sich begreift und umfaßt.
Nunmehr siehst du, wenn du in subtilster Überlegung den
Geist erhebst, daß Gott nicht erkannt werden kann, da er alle
Gegensätzlichkeit um das Unendliche überschreitet; daß ferner
die reine Seinsheit, die unendliche Form des Seins, aller Dinge
Ursprung, Mitte und Ende ist. Und darum, weil Gott der ewige
Ursprung ist, ist er vor allem: weil er die Mitte ist, ist alles in ihm;
weil er das Ende ist, ist alles zu ihm hin.
Du siehst weiter, daß Gott weder überall noch nirgends ist,
da „überall“ und „nirgends“ einen Gegensatz bilden, der Gott
nicht zukommt; Gott steht über dem Gegensatz, da „überall“
und „nirgends“ in ihm enthalten sind, ohne einen Gegensatz zu
bilden. Daher ist er ebensosehr überall wie nirgends, ebensosehr
nirgends wie überall, — wie ja auch nach seinem Vorbild die
Wesensform eines Dinges in der Materie überall und nirgends ist.
Denn die Form geht allem Zu-fälligen voraus und ist einfach; und
darum ist sie ganz im Ganzen und in jedem Teil; als Beispiel:
die Form des Menschen, in ihrem Verhältnis zum Körper, usw.
Und so magst du sehen, daß Gott durch sein Wesen überall ist;
<sieh> auch, daß sein Sein Wesen ist, daß es Macht ist und Wahr-
heit, usw.; aber nicht gleichmäßig wird er von allen auf genommen,
gleichwie die einzelnen Glieder des Körpers die Seele nicht gleich-
mäßig in sich aufnehmen und die Seele darum nicht das gleiche
in allen Gliedern bewirkt, . . .
Zur Betrachtung der Dreifaltigkeit aber mußt du folgenden
Weg einschlagen, da ja die Dreiheit, die Gott zukommt, der Ein-
fachheit oder Einheit nicht entgegengesetzt sein kann: Wenn du die
Dreiheit in höchster Abstraktion und Erhebung des Geistes hoch
über aller verstandesmäßigen Dreiheit erkennen willst, so darf die
Dreiheit nicht durch Hinzuzählen einer Zahl zu einer anderen oder
durch Vervielfältigung der Eins gebildet sein, sondern sie muß
mit der Einheit zusammen bestehen, ja die Einheit selbst sein, so
daß sie nicht Dreiheit ist, sondern Dreieinsheit, gleichwie die
Einheit Eins-Dreiheit ist.
Und blicke hierbei nicht auf das, was die Namen sagen; denn
in dem, was Namen sagen, wirst du nichts von der unendlichen
Wahrheit finden. Denn die Namen werden durch Vergleichung
und Beurteilung vom Verstände gesetzt und können dem voll-

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 3. Abh.

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