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Nikolaus [Hrsg.]; Hoffmann, Ernst [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 3. Abhandlung): Cusanus-Texte: I. Predigten, 1: Dies sanctificatus vom Jahre 1439 — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39951#0027
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Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.

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Hier betrachte, wie alles in der unendlichen Kunst Gleichheit
ist und die vollkommen-einfache Vernunft der unendliche Vernunft-
grund von allem ist. Denn alle Verschiedenheiten sind in der Einheit
der unendlichen Vernunft begriffen. Und ebenso wie sich nichts
finden läßt, was dem Einen so gleich wäre, daß es nicht noch un-
endlich viel gleicher sein könnte, und es darum nur eine unend-
liche Gleichheit aller Dinge gibt, — ebenso kann nach dem Worte
Salomos keiner die Vernunft in irgendetwas von allem Geschaf-
fenen erfassen; weil in allen göttlichen Werken die Vernunft nicht
zu fassen ist, gibt es nur eine unendliche Vernunft von allem.
Überlege hier, wie das Wort alle Kunst, Form und Vernunft
ist. Hilf dir mit dem Gleichnis der Kunst, die in uns ist, <und
sieh), wie im Wort des Geistes, das Kunst ist, die Kunstwerke
enthalten sind, wie unsere Kunst in ihrer „Einfältigkeit“
über Zeit und Scheidung erhaben die Kunstwerke in sich enthält
und wie die Kunstwerke ihrerseits die in ihnen enthaltene Kunst zur
Entfaltung bringen: Sieh, wie die Kirche in der Kunst des Bau-
meisters ungeteilt und einfach enthalten ist, und wie die Kirche,
die von der Kunst zur Entfaltung gebracht wird, in (das Gebiet
der > Vielheit, Scheidung und Zeitlichkeit fällt. Und so wird die-
selbe Kunst durch den immer anderen Stoff in immer anderer
Weise zur Gestalt begrenzt.
Nach diesem Gleichnis betrachte nun die göttliche Kunst:
Wie unsere Kunst die dem Gegenstand zu-fälligen Formen,
welche Gleichnisse der Natur-Formen sind, in die Materie hinein-
bringt, die sie als vorhanden voraussetzt, so bringt die göttliche
Kunst, die unendlich ist, gemäß der einen vollkommen-einfachen
Kunst alles hervor, was da ist. Die Seinsform aller Dinge fließt
also aus jener unendlichen Form der ewigen Kunst wie das Kunst-
werk aus unserer Kunst.
Auch mußt du bedenken, daß je höher und vollkommener eine
Kunst ist, sie desto mehr niedere Künste in sich begreift. Wie zum
Beispiel die Kunst des Goldschmieds die Kunst des Malers, Bild-
hauers, Gießers usw., in sich begreift; darum ist sie edler, weil
ihre „Einfältigkeit“ die einheitlichere und an Kräften reichere ist.
Die unendliche Kunst aber ist notwendig die an Kräften reichste
und mächtigste.
1341 sqq. Vide AUGUSTINUM, In Ioannis Evang. cap. 1, Iract. 1, 17 (ed. tert.
Maurin, t. IV. col. 392 D sq.), qui primus adhibet exemplum archae (cf. p. 28).
18—20 cf. De Doct. Ignorant. II, 10, fol. 20T.
 
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