Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.
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die Form des Kunstwerks entspricht. Darum ist die Materie,
die nach dem Prinzip des „Mehr und Minder“ empfängt, dem gei-
stigen Bilde ähnlich, aber niemals genau gleich. So sind die
Formen der Dinge Abbilder der göttlichen Kunst, ....
Damit ist nun der erste Teil entwickelt, der die Zeugung
des Wortes behandelt und wie nach dem Evangelium alles durch
das Wort geschaffen ist und nichts ohne das Wort geschaffen ist;
wie in ihm alles unmittelbar Kunst ist, die Kunst, die das Leben
ist, dessen Bild alle lebenden Wesen tragen; wie das Leben das
Licht der Menschen ist, — denn das Leben ist die Vernunft und
die Weisheit, von der alle (menschliche) Vernunft und Weisheit
stammt; wie endlich <Gott> das Licht der Menschen ist und in
der Finsternis der Unwissenheit leuchtet, und die Finsternis ihn
nicht begriffen hat.
II. Korinth. 5: „Gott war in Christo und versöhnte die
Welt mit ihm selber.
Joh.6: „Dies ist das Brot, das . . . der Welt
das Leben gibt.“
Ich habe versprochen, an zweiter Stelle anschließend die
Fleischwerdung Christi zu betrachten. Als Einführung zu
diesem Teil will ich an unsern Text erinnern: „Ein Tag ist uns
leuchtend aufgegangen“. Denn „Gott schuf den Menschen“.
Hier ist zu beachten, inwiefern die Fleischwerdung Christi uns
zum Heil nötig war: Gott schuf alle Dinge um seinetwillen und das
All im Hinblick auf sich selbst im höchsten Grade der Größe und
Vollkommenheit; aber auch dies konnte nicht mit ihm eins werden,
da es für das Endliche zum Unendlichen kein Verhältnis gibt. So
ist also das Ziel aller Dinge Gott; in ihm (aber) sind sie (nur)
durch Christus. Denn hätte Gott nicht menschliches Wesen an-
genommen — da dieses als Mitte die anderen Wesen in sich be-
greift —, so wäre das All nicht vollkommen, ja es wäre nicht
einmal.
Hier mögest du sehen, daß unter den geschaffenen Wesen der
Mensch aus dem Grunde seiner Universalität alle anderen in sich
begreift, die· geistigen sowohl wie die körperlichen. Darum auch
wurde er gleichsam als Vollendung der Gesamtheit des Seienden
erschaffen, auf daß in ihm alle Dinge, als in ihrer Vollendung, zu
finden seien.
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die Form des Kunstwerks entspricht. Darum ist die Materie,
die nach dem Prinzip des „Mehr und Minder“ empfängt, dem gei-
stigen Bilde ähnlich, aber niemals genau gleich. So sind die
Formen der Dinge Abbilder der göttlichen Kunst, ....
Damit ist nun der erste Teil entwickelt, der die Zeugung
des Wortes behandelt und wie nach dem Evangelium alles durch
das Wort geschaffen ist und nichts ohne das Wort geschaffen ist;
wie in ihm alles unmittelbar Kunst ist, die Kunst, die das Leben
ist, dessen Bild alle lebenden Wesen tragen; wie das Leben das
Licht der Menschen ist, — denn das Leben ist die Vernunft und
die Weisheit, von der alle (menschliche) Vernunft und Weisheit
stammt; wie endlich <Gott> das Licht der Menschen ist und in
der Finsternis der Unwissenheit leuchtet, und die Finsternis ihn
nicht begriffen hat.
II. Korinth. 5: „Gott war in Christo und versöhnte die
Welt mit ihm selber.
Joh.6: „Dies ist das Brot, das . . . der Welt
das Leben gibt.“
Ich habe versprochen, an zweiter Stelle anschließend die
Fleischwerdung Christi zu betrachten. Als Einführung zu
diesem Teil will ich an unsern Text erinnern: „Ein Tag ist uns
leuchtend aufgegangen“. Denn „Gott schuf den Menschen“.
Hier ist zu beachten, inwiefern die Fleischwerdung Christi uns
zum Heil nötig war: Gott schuf alle Dinge um seinetwillen und das
All im Hinblick auf sich selbst im höchsten Grade der Größe und
Vollkommenheit; aber auch dies konnte nicht mit ihm eins werden,
da es für das Endliche zum Unendlichen kein Verhältnis gibt. So
ist also das Ziel aller Dinge Gott; in ihm (aber) sind sie (nur)
durch Christus. Denn hätte Gott nicht menschliches Wesen an-
genommen — da dieses als Mitte die anderen Wesen in sich be-
greift —, so wäre das All nicht vollkommen, ja es wäre nicht
einmal.
Hier mögest du sehen, daß unter den geschaffenen Wesen der
Mensch aus dem Grunde seiner Universalität alle anderen in sich
begreift, die· geistigen sowohl wie die körperlichen. Darum auch
wurde er gleichsam als Vollendung der Gesamtheit des Seienden
erschaffen, auf daß in ihm alle Dinge, als in ihrer Vollendung, zu
finden seien.