Cusanus-Texte. I. „Dies Sanctificatus“.
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habe gelehrt Gottes Güte, also den Vater, Gottes Vernunft, also
den Sohn, Gottes Macht, also den heiligen Geist.
2. Zum ersten Teil der Predigt.
Der erste Teil der Predigt soll von der „ewigen Geburt“ handeln.
Sie ist Geburt aus Gott, also aus dem Absoluten, und zwar aus dem
Absoluten von Seite seiner Geistigkeit her; denn das Urwesen der
Welt ist Gedanke. Steht somit zum Problem die Geburt aus der
absoluten Geistigkeit, so übersteigt diese profunditas intelligentiae
unser Denkvermögen. Dieses besteht (wie noch bei Spinoza) aus
den drei Funktionen Ratio (Begriffsvermögen), Imaginatio (Vor-
stellungsvermögen) und Sensus (Empfindungsvermögen). Die für
die Gotteserkenntnis nötige intuitive Stufe aber hegt so viel höher
als die Ratio, wie die Stätte der coincidentia die Stätte der opposita
überragt. War logisch jene höchste Stätte nur als Ort der Super-
latio, nur per transcensum omnium comparationum zu erreichen,
so führt der religiöse Glaube (wofern die Offenbarung richtig inter-
pretiert wird) unmittelbar zu diesem Ziel. Was aber heißt ewige
Geburt ?
Zunächst muß Gott als das Absolut-Eine, als die „Einsheit“,
also als die Idee des einen verstanden werden, in deren Begriff oder
besser Überbegriff keine Vielheit eingeht. Dies widerspricht nicht
dem Trinitätsgedanken; die göttliche Dreieinsheit ist nicht Viel-
heit, nicht Mehrheit, sondern sie ist die Einheit selber, sofern sie
„gedacht“ wird (d. h. im Sinne von τό γάρ αύτό νοεΐν έστίν τε
καί είναι, gedacht wird), als „gedacht“ also unter die Kategorie
der Relation gebracht wird. Das absolute Sein als Einheit und das
absolute Sein als Dreiheit sind beide dieselbe Wahrheit; im Ab-
soluten sind die Gegensätze aufgehoben. Wohl aber sind die
Namen und Prädikate Vielheit, die wir Gott beizulegen pflegen.
Die Namengebung ist nicht falsch; aber sie beweist, daß wir uns
mit ihr noch in der pluralistischen Region der diskursiven Denk-
form bewegen, deren Aufgabe es ist, Gleichheiten zu statuieren in
einer Sphäre, wo „präzise“ Gleichheit nicht realisierbar ist. Namen-
gebung ist ein komparatives Verfahren, vhe die graphische Dar-
stellung, das Zählen oder das synthetische Urteilen, somit dem
schlechthin „einfachen“ Erkenntnisobjekt inadäquat.
Gott als. die absolute Einsheit ist von der Welt als der kon-
kreten Vielheit tmematisch geschieden; und zwar nicht nur in-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Altad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 3. Abh.
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habe gelehrt Gottes Güte, also den Vater, Gottes Vernunft, also
den Sohn, Gottes Macht, also den heiligen Geist.
2. Zum ersten Teil der Predigt.
Der erste Teil der Predigt soll von der „ewigen Geburt“ handeln.
Sie ist Geburt aus Gott, also aus dem Absoluten, und zwar aus dem
Absoluten von Seite seiner Geistigkeit her; denn das Urwesen der
Welt ist Gedanke. Steht somit zum Problem die Geburt aus der
absoluten Geistigkeit, so übersteigt diese profunditas intelligentiae
unser Denkvermögen. Dieses besteht (wie noch bei Spinoza) aus
den drei Funktionen Ratio (Begriffsvermögen), Imaginatio (Vor-
stellungsvermögen) und Sensus (Empfindungsvermögen). Die für
die Gotteserkenntnis nötige intuitive Stufe aber hegt so viel höher
als die Ratio, wie die Stätte der coincidentia die Stätte der opposita
überragt. War logisch jene höchste Stätte nur als Ort der Super-
latio, nur per transcensum omnium comparationum zu erreichen,
so führt der religiöse Glaube (wofern die Offenbarung richtig inter-
pretiert wird) unmittelbar zu diesem Ziel. Was aber heißt ewige
Geburt ?
Zunächst muß Gott als das Absolut-Eine, als die „Einsheit“,
also als die Idee des einen verstanden werden, in deren Begriff oder
besser Überbegriff keine Vielheit eingeht. Dies widerspricht nicht
dem Trinitätsgedanken; die göttliche Dreieinsheit ist nicht Viel-
heit, nicht Mehrheit, sondern sie ist die Einheit selber, sofern sie
„gedacht“ wird (d. h. im Sinne von τό γάρ αύτό νοεΐν έστίν τε
καί είναι, gedacht wird), als „gedacht“ also unter die Kategorie
der Relation gebracht wird. Das absolute Sein als Einheit und das
absolute Sein als Dreiheit sind beide dieselbe Wahrheit; im Ab-
soluten sind die Gegensätze aufgehoben. Wohl aber sind die
Namen und Prädikate Vielheit, die wir Gott beizulegen pflegen.
Die Namengebung ist nicht falsch; aber sie beweist, daß wir uns
mit ihr noch in der pluralistischen Region der diskursiven Denk-
form bewegen, deren Aufgabe es ist, Gleichheiten zu statuieren in
einer Sphäre, wo „präzise“ Gleichheit nicht realisierbar ist. Namen-
gebung ist ein komparatives Verfahren, vhe die graphische Dar-
stellung, das Zählen oder das synthetische Urteilen, somit dem
schlechthin „einfachen“ Erkenntnisobjekt inadäquat.
Gott als. die absolute Einsheit ist von der Welt als der kon-
kreten Vielheit tmematisch geschieden; und zwar nicht nur in-
Sitzungsberichte d. Heidelb. Altad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 3. Abh.
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